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02.03.2022 -

„Es ist wichtig, mit Kunden in Kontakt zu kommen und Feedback zu seinem Produkt und zum Geschäftsmodell einzusammeln.“

Einleitung

2018 entwickelten drei Student/innen eine Meeresfischzuchtanlage mitten im Saarland. Im kommenden Jahr wollen sie ihre erste Anlage in Deutschland bauen und dann den internationalen Markt erobern.

Wir haben mit der Geschäftsführerin Carolin Ackermann über die Herausforderungen bei der Gründung und die Perspektiven des Unternehmens gesprochen.

Interview mit Carolin Ackermann von Seawater Cubes GmbH

© Seawater Cubes GmbH

Frau Ackermann, vom Saarland bis ans Meer sind es etwa 500 Kilometer. Wie kamen Sie auf die Idee, ausgerechnet dort eine Meeresfischzuchtanlage zu entwickeln?
Ackermann: Das ist historisch gewachsen. Hier wurde vor einigen Jahren – politisch motiviert – eine sehr große Inland-Fischzuchtanlage gebaut. Die wurde forschungsseitig von der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes betreut, an der wir drei studiert haben. Meine beiden Co-Gründer waren dort während ihres Studiums – und auch danach – an einem Forschungsprojekt beteiligt. Dabei sind sie mit dem Thema in Berührung gekommen. Sie haben gelernt, wie man solch geschlossene Systeme entwickelt und optimiert. Die Anlage konnte etwa hundert Mal so viel Fisch produzieren wie unsere jetzt. Der damalige Betreiber hat es aber nicht geschafft, den Vertrieb für diese großen Mengen aufzubauen. Als das Unternehmen in die Insolvenz rutschte, haben meine beiden Kollegen daher beschlossen, ein kleineres, tragfähiges Konzept zu entwickeln und zu standardisieren.

Was macht Sie optimistisch, dass Sie mit Ihrem System erfolgreicher sein werden?
Ackermann: Klimawandel, Überfischung, Mikroplastik in den Meeren: Das alles bedroht die Fischbestände. Dieses Thema bewegt die Menschen und macht sie bewusster in ihrem Lebensmittelkonsum. Es gibt kaum noch Meeresregionen, in denen die Bedingungen optimal sind. Für weite Teile der Weltbevölkerung ist Fisch ein sehr wichtiges Grundnahrungsmittel. Aktuell stammt jeder zweite Fisch aus der Zucht. Doch die Fische werden überwiegend in Netzkäfigen im Meer gezüchtet. Dabei wird wenig Rücksicht auf die Umwelt genommen. Das wollen wir besser machen. Deshalb entkoppeln wir die Aquakultur vom Meer und verlegen sie ins Inland. Dafür haben wir unser geschlossenes System entwickelt, das in Schiffscontainern verbaut wird. Das ist ressourcenschonend und belastet die Umwelt nicht. Wir versorgen Kundinnen und Kunden in einem Umkreis von 50 Kilometern. Das reduziert Transportwege und ist nachhaltig.

Sie vermarkten sehr lokal. Das Problem mit dem Rückgang der Bestände in den Meeren ist ein globales. Denken Sie das internationale Geschäft im Voraus schon mit?
Ackermann: Auf jeden Fall. Die Vermarktung unseres Fischs betreiben wir ja nur, um zu zeigen, dass es funktioniert. 21.000 Tiere züchten wir pro Jahr. Unser Geschäftsmodell ist aber der Bau und Vertrieb der Anlagensysteme. Wir vermarkten die Cubes und begleiten unsere Kunden auch beim Genehmigungsprozess. Nach der Installation bieten wir Serviceleistungen, damit die Anlagen erfolgreich laufen. Wir organisieren die Belieferung mit Rohstoffen wie Jungfischen, Futter und Salz. Ich sehe unsere Produktionsanlagen später in der ganzen Welt stehen. Wir wollen ein globales Netz aus dezentralen Standorten knüpfen, damit die Menschen überall lokal frischen Meeresfisch kaufen können.

Wer sind Ihre potentiellen Kunden?
Ackermann: Vor allem Landwirte, die eine Möglichkeit suchen, zusätzliche Geschäftsfelder aufzubauen, weil sie mit der Wirtschaftlichkeit der traditionellen Viehzucht nicht mehr zufrieden sind. Die andere Gruppe sind Unternehmer, die in nachhaltige Geschäftsmodelle investieren wollen.

Verhandeln Sie auch schon mit internationalen Kunden?
Ackermann: So weit sind wir noch nicht. Wir haben gedacht, dass das etwas schneller geht. Aber die Pandemie hat uns natürlich ein ganzes Stück zurückgeworfen, indem unser erstes Pilotprojekt geplatzt ist. Außerdem müssen wir bis heute große Hürden überwinden, was den Markteintritt angeht. Das haben wir anfangs etwas unterschätzt. Wir planen für das nächste Jahr, die ersten Anlagen mit Pilotkunden aufzustellen. Auch in Österreich haben wir bereits einen Interessenten. Die internationale Expansion wird wohl noch zwei, drei Jahre dauern.

Was macht Ihre Systemanlage so besonders?
Ackermann: Sowohl mechanische als auch biologische Filterstufen sorgen dafür, dass wir 99 Prozent unseres Wassers recyceln können. Daneben ist Kern unseres Produktes die Automatisierung, die wir selbst entwickelt haben. Die Software beinhaltet das Fischwissen und verschiedene Modelle, sie steuert alle Prozesse vollautomatisch. Deshalb ist der Aufwand für den Betreiber sehr gering und er muss kein Experte sein, um in die Fischzucht einsteigen zu können.

Welche Fischarten züchten Sie in Ihrem Becken?
Ackermann: Grundsätzlich eignet sich die Anlage für alle Salzwasserfische bis zu einer gewissen Größe. Bislang züchten wir hauptsächlich Wolfsbarsch, haben aber auch schon Barramundi getestet. Wir planen gerade im Hinblick auf die internationale Expansion, auf exotische Arten zurückzugreifen, die normalerweise von weit her eingeflogen werden müssen. Auch die können wir dann vor Ort züchten. Das spart wegen wegfallender Transportkosten zusätzliche Ressourcen. Wichtig ist, dass die Fische einen Schwarm ausbilden können. Das entspricht ihrem natürlichen Verhalten. Das geht in unserem Becken sehr gut. Wir können ihnen einen sehr natürlichen Lebensraum zur Verfügung stellen, und sie leben fernab von Schwermetallen, Öl und Mikroplastik. Im Meer müssen die Fische wegen der Erwärmung teilweise immer weit nach Norden ziehen. In unseren Becken können wir perfekte Lebensbedingungen für unterschiedliche Fischarten schaffen. Weil wir die Qualität eines gesunden Meeres kopieren, wachsen die Fische in klarem Wasser auf. Deshalb entspricht ihre Qualität der von Fischen aus einem gesunden Meer.

Sie haben von 2017 bis 2021 in zwei Phasen EXIST-Forschungstransfer erhalten. Inwiefern war das wichtig für den Aufbau des Unternehmens?
Ackermann: Ohne EXIST gäbe es das Unternehmen schlicht und einfach nicht. Wir sind sehr dankbar für diese Unterstützung: nicht nur für die finanzielle Hilfe, sondern auch für Expertise des EXIST-Teams, die intensive Betreuung durch Expertinnen und Experten und deren Kontakte. Wir haben sogar eine Corona-bedingte Verlängerung erhalten. Ohne die hätten wir die Pandemie nicht überstanden. Diese Art der Förderung ist essenziell für Hightech Ausgründungen aus Hochschulen. Die Forschungsgelder sind genau dafür da, um risikoreiche Innovationen zu unterstützen und ermöglichen es, Prototypen zu bauen. Ohne sie würde Deutschland den technologischen Anschluss in relevanten Zukunftsfeldern verlieren.

Was war bei der Gründung die größte Herausforderung?
Ackermann: Das war und ist ganz sicher der Markteintritt. Wir haben das total unterschätzt. Es gibt gerade in Deutschland viele bürokratische Hürden, die Hardware Start-ups wie uns hemmen. Dabei geht es um Baugenehmigungen, Verfahrenszulassungen und Fördergelder für unsere Kunden. Das ist wegen des Föderalismus in den einzelnen Bundesländern alles unterschiedlich geregelt. Es kostet sehr viel Zeit, einerseits für die Einarbeitung, andererseits für die Umsetzung beim Kunden. Und den ersten zu finden, der so eine Anlage kauft, ist ebenfalls eine riesige Herausforderung.

Ist ein Verkauf später eine Option?
Ackermann: So weit denke ich nicht. Das hängt immer davon ab, wie die nächsten Jahre laufen. Je mehr Finanzierungsrunden man braucht, desto mehr Anteile muss man als Gründer abgeben. Dann befindet man sich zwangsläufig auf dem Weg zum Exit. Zumindest bei Tech-Ausgründungen ist das der klassische Verlauf. Unser Thema ist sehr emotional. Man muss auch mit Überzeugung und einige Jahre dabei sein, damit man etwas bewegen kann im Markt. Im Moment ist der Plan, langfristig ein Franchise-System aufzubauen, weil wir gemerkt haben, dass die Kunden auch Marketing- und Vertriebsunterstützung brauchen. Das wollen wir standardisieren. Über alles Weitere denken wir jetzt noch nicht nach.

Abschließende Frage: Welcher ist ihr Lieblingsfisch?
Ackermann: Das ist in der Tat der Wolfsbarsch. Er ist sehr ansehnlich und dazu noch schmackhaft und mager.

Das komplette Interview lesen Sie auf der Webseite von EXIST. Einer Seite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.

Stand: August 2021

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