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30.04.2018 -

„Unser Wettbewerbsvorsprung liegt ganz klar in der Kompetenz des Gründungsteams.“

Einleitung

Ärztliche Beratung, Diagnose und Therapievorschläge per Telefon oder Videochat? Die Telemedizin macht’s möglich.

Ärztliche Beratung, Diagnose und Therapievorschläge per Telefon oder Videochat? Die Telemedizin macht’s möglich. Noch führt sie ein Nischendasein in Deutschland. Genau das möchte das Gründungsteam der TeleClinic ändern. Mit über 200 Ärzten und 10.000 Patienten kann die Ausgründung der Ludwig-Maximilians-Universität München bereits erste Erfolge verbuchen.

Porträt von Prof. Dr. Reinhard Meier, Katharina Jünger und Patrick Palacín

Prof. Dr. Reinhard Meier, Katharina Jünger, Patrick Palacín

© TeleClinic GmbH

Frau Jünger, Sie bieten eine Plattform für ärztliche Telefon- und Videoberatungen an. Wie kann man sich das genau vorstellen?

Jünger: Ganz einfach: Der Patient registriert sich auf unserer Webseite und landet dann bei einem unserer medizinischen Assistenten. Dabei wird zunächst festgestellt, ob der Patient in die Notaufnahme gehört – in diesem Fall wird er direkt mit der Notrufnummer 112 verbunden. Ist dies nicht der Fall, erhält er einen Termin für eine ärztliche Beratung. Das bedeutet, er wird noch am selben Tag von einer Ärztin oder einem Arzt, die zu unserem Netzwerk gehört, zurückgerufen. Das Gespräch findet dann auf Wunsch des Patienten entweder als Videochat oder telefonisch statt.

Welchen Stellenwert hat Ihrer Erfahrung nach das Thema Digitalisierung in der Ärzteschaft?

Jünger: Als wir vor ungefähr dreieinhalb Jahren angefangen haben, war die Grundstimmung noch negativ. Auf Ärztekongressen wurde uns zum Beispiel oft gesagt: „Digitalisierung ist Teufelszeug. Das wollen wir nicht.“ Mittlerweile ist es so, dass jede Facharztgruppe in Deutschland eine Digitalisierungsabteilung hat. Auch im Medizinstudium ist das Thema Telemedizin inzwischen Bestandteil von Vorlesungen. Insofern hat sich schon viel getan. Deswegen stellt sich heute auch nicht mehr die Frage, ob wir die Digitalisierung im Gesundheitsbereich wollen, sondern wie wir sie gestalten können.

Wie hat sich Ihr Unternehmen seit der Gründung entwickelt?

Jünger: Wir haben die TeleClinic Anfang 2015 gegründet und beschäftigen jetzt etwa 30 Mitarbeiter. In unserem Netzwerk sind über 200 Ärztinnen und Ärzte aktiv. Wir haben sogar Hebammen und eine Stillberaterin dabei. Jedes Netzwerkmitglied zahlt einen Beitrag an uns. Darüber erzielen wir unseren Umsatz. Was die Zahl der Patienten betrifft, liegen wir jetzt bei 10.000. Unser Ziel sind 50.000 Patienten bis zum Ende des Jahres.

Sind Sie mit der bisherigen Entwicklung zufrieden?

Jünger: Sagen wir so: Es läuft so langsam, wie wir uns das vorgestellt haben. Das liegt nicht zuletzt daran, dass wir uns in einem sehr regulatorischen Umfeld bewegen, in dem man sehr viele Akteure mit einbeziehen muss – Datenschützer, Krankenkassen, Versicherungen, Kassenärztliche Vereinigungen und natürlich die Ärzteschaft und die Patienten.

Wie sind Sie auf die verschiedenen Akteure zu gegangen?

Jünger: Über verschiedene Wege, von Briefen über Faxe bis hin zu E-Mails. Wir haben einfach alle Wege probiert. Wir sind auf Kongressen aufgetreten und hatten von Anfang an ein recht überzeugendes Konzept, so dass wir ein paar First Mover akquirieren konnten. Das hat enorm geholfen, um weitere Akteure zu überzeugen.

Dazu muss man wissen, dass es gerade im Gesundheitsbereich sehr viele Empfindlichkeiten gibt. Ärzte retten jeden Tag Leben. Darauf sind sie natürlich sehr stolz. Genauso wie die Krankenversicherungen, deren Arbeit ebenfalls nicht unterschätzt werden darf. Darauf muss man sich einstellen und entsprechend auftreten. Wir treten daher mit dem Selbstverständnis auf, gemeinsam mit allen Akteuren nachhaltig etwas zu verändern und die Digitalisierung in der Branche zum Vorteil aller Beteiligten voranzubringen. Es geht uns nicht darum, schnell reich zu werden.

Trotzdem, ist es gar nicht so einfach als Start-up Fuß zu fassen, oder?

Jünger: Ja, da haben Sie recht. Es ist auch immer die Frage, welchen Wettbewerbsvorteil das eine Start-up gegenüber dem anderen hat. Unser Wettbewerbsvorsprung liegt ganz klar in der Kompetenz des Gründungsteams. Damit konnten wir auch schon in unserem EXIST-Antrag punkten, den wir 2015 über die Ludwig-Maximilians-Universität München gestellt hatten.

Scheint ja alles perfekt zu sein. Gibt es dennoch etwas, das Sie rückblickend anders gemacht hätten?

Jünger: Ja, da gibt es viele Dinge. Ich hätte mir zum Beispiel gewünscht, dass wir noch schneller und noch früher mehr Geld bekommen. Dann hätten wir noch mehr Mitarbeiter einstellen können.

Ein ziemlich bitteres Learning war, zu erkennen, dass der Gesundheitsmarkt sehr umkämpft ist. Man muss sehr aufpassen und nicht zu viele interne Informationen zum Geschäftsmodell weitergeben. Wir wurden zum Beispiel von etablierten Unternehmen mit dem Vorwand eingeladen, dass man mit uns zusammenarbeiten und gemeinsam etwas bewegen wolle. Leider waren wir damals noch so naiv und haben unseren Gesprächspartnern sehr viele Informationen zur Verfügung gestellt. Im Ergebnis wurden diese Informationen später gegen uns verwendet. Das war etwas, was wir erst schmerzlich lernen mussten: Dass auf einen jungen Player keine Rücksicht genommen wird. Im Gegenteil: Sobald sich der erste Erfolg einstellt, wird man sehr ernst genommen mit der Konsequenz, dass Wettbewerber versuchen die Idee zu kopieren oder einen gegenüber potenziellen Kunden zu diskreditieren.

Welche Tipps können Sie anderen Gründern geben?

Jünger: Im Gesundheitsbereich gibt es viele Konzepte, die spannend sind. Aber am Ende stellt sich immer die Frage nach dem Nutzen. Mein Rat an andere Gründerinnen und Gründer wäre daher: Überlegt Euch ganz genau, ob es sich tatsächlich um ein konkretes Problem handelt, das Ihr lösen wollt. Achtet darauf, dass die Lösung auch wirklich passt.

Ein weiterer Punkt: Macht Euch frühzeitig mit der Regulatorik vertraut, die in der Branche herrscht. Wenn die Lösung zum Beispiel nicht zu den Vergütungsregeln passt und auch die Patienten keine Zahlungsbereitschaft zeigen, funktioniert es nicht. Deswegen: Konzentriert Euch auf ein konkretes Problem, entwickelt dafür eine praktikable Lösung und überlegt, an welcher Stelle Ihr Euren Umsatz erzielen könnt.

Stand: April 2018

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