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Online-Marketing-Expertin: freiberufliche Tätigkeit?

Frage

Ich möchte mich als Online-Marketing-Expertin selbständig machen. Dienstleistungen: Strategie, Beratung, Umsetzung und Optimierung. Bereiche: Google Analytics, Adwords, Display, Facebook Ads, Instagram Ads. Muss ich hierfür ein Gewerbe anmelden oder würde das als freiberufliche Tätigkeit zählen?

Antwort

Für eine beratende und planende Tätigkeit im Bereich Social Media liegen nach meiner Erkenntnis weder Richtlinien der Finanzverwaltung noch einschlägige Urteile vor. Eine Orientierung bietet die Rechtsprechung zum EDV-Berater. Hier würde ein Hochschulabschluss in BWL/VWL oder vergleichbarer Ausrichtung die Grundlage bilden. Jedoch verlangt die einschlägige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs anhand der Lehrinhalte des Studiums der Volks- bzw. Betriebswirtschaftslehre eine Dienstleistung, die hauptsächlich die Bereiche Unternehmensführung, Leistungserstellung (Fertigung von Gütern / Bereitstellung von Dienstleistungen), Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen umfasst (BFH, Urteil vom 31.08.2005, XI R 62/04, BFH/NV 2006, 505). Eine gewisse Spezialisierung in der Beratungstätigkeit ist unschädlich, solange sich diese wenigstens auf einen betrieblichen Hauptbereich erstreckt (BFH, Beschluss vom 31.05.2000, IV B 133/99, BFH/NV 2000, 1460).

Allgemein wird für die freiberufliche Tätigkeit der Marketing-Beraterin also ein relevantes Studium gefordert. Über diese Anforderung hinaus gilt in besonderen Fällen auch (Zitat) „ein vergleichbares Selbststudium als ausreichend, verbunden mit praktischer Erfahrung, Kenntnissen in allen hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre, die denen vergleichbar sind, die in einem der genannten Ausbildungsgänge üblicherweise erworben werden können. Er muss die fachliche Breite seines Wissens bei seiner praktischen Tätigkeit einsetzen können und auch einsetzen. … Die notwendige Breite der Betätigung ist allerdings schon dann vorhanden, wenn sich die Beratung wenigstens auf einen betrieblichen Hauptbereich der Betriebswirtschaft bezieht (BFH-Urteil vom 18. August 1988 V R 73/83). Nicht ausreichend ist die Tätigkeit, wenn sie sich nur auf einen engen Teilbereich der Betriebswirtschaft bezieht.“ (Zitatende)
Quelle: Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.08.1990, Az.: 2 K 57/88

Erfahrungsgemäß werden Marketing-Fachleute wegen der Breite der damit verbundenen Anforderungen eher den freien Berufen zugeordnet (eine einheitliche Linie der Finanzverwaltung ist leider nicht erkennbar). Ob allerdings hierfür eine ausreichende Qualifikation vorliegt, ist bei Nichtvorliegen eines relevanten Hochschulabschlusses oder zumindest der Qualifikation als staatlich geprüfter Betriebswirt im Einzelfall zu prüfen. Unschädlich in Bezug auf die Freiberuflichkeit ist es, wenn die Dienstleistung auf eine bestimmte Branche beschränkt ist.

Beachten Sie bitte noch das Folgende: Nach vorliegenden Erfahrungen kommt es häufig vor, dass selbstständige Dienstleister dem Finanzamt einen freien Beruf anzeigen und dabei von einer Freistellung vom Gewerbe ausgehen. Oft werden Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung akzeptiert. Betroffene Personen gehen dann ebenso häufig wie fälschlich von einer Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) beim Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit hohen Anforderungen und mit Kosten verbunden.

Fazit: Wenn Sie über einen Hochschulabschluss in BWL/VWL, ein vergleichbares Studium oder einen Abschluss als staatlich geprüfte Betriebswirtin oder auch hier einen vergleichbaren Abschluss verfügen, erfüllen Sie zunächst die formalen Voraussetzungen. Berufserfahrung ist immer hilfreich. Ansonsten würde es sehr schwer. Die Finanzverwaltung vernachlässigt zudem häufig die Tatsache, der zufolge Marketing eine Teildisziplin der BWL ist, die ohne fundierte Kenntnisse und Erfahrungen aus anderen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre und deren Anwendung nicht durchführbar ist. Für Sie wäre es deshalb wichtig, deutlich zu machen, dass Sie konzeptionelle, organisatorische und erfolgsmessende Aufgaben wahrnehmen. Schnittstellen zu anderen Bereichen der BWL wie Budgetplanung, Kostenrechnung oder Controlling wären ebenso zu akzentuieren wie Aufgaben mit deutlichem Bezug zu Distribution und Verkauf. Denkbar wären auch kooperative oder koordinierende Aufgaben, die in Bereiche wie Entwicklung und Produktion oder auch Logistik hineinreichen. Hinzu kommen rechtliche Anforderungen. Auf die sozialen Medien eingeschränktes Marketing würde demnach wohl nicht ausreichen. Dieser Arbeitsbereich müsste im Kontext eines allgemeinen Marketings stehen. Abschließend empfehle ich Ihnen die Absprache mit dem Finanzamt, das auch eine beratende Funktion hat.

Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
Februar 2018

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