Antwort
Ihre Fragen können mit den erhaltenen Informationen nur mit Vorbehalten beantwortet werden:
Der Kaufpreis wurde bereits mit 700.000 Euro festgelegt - ich muss davon ausgehen, dass es eine "vernünftige" Wertermittlung gegeben hat - dies ist zwingend Voraussetzung für eine Bankfinanzierung, gerade dann, wenn eine 100%-Finanzierung angestrebt wird. "Vernünftig" in diesem Zusammenhang, dies geht auch aus zahlreichen früheren Anfragen hier im Forum hervor, ist eine Unternehmenswertermittlung nach dem Ertragswertverfahren (Erläuterungen dazu www.nexxt.org/unternehmenswert (www)).
Der Wert des Unternehmens hat danach primär nichts mit dem Anlagevermögen zu tun, sondern mit dem langfristig erzielbaren Überschuss - ich glaube, das ist angesichts der von Ihnen skizzierten Zahlen-Eckwerte wichtig zu unterstreichen.
Spannend ist hier nämlich die Klärung einer nicht gestellten Frage: Wenn Sie bereits bei der Übernahme der ersten 13 % den vollen Kaufpreis zahlen, müssen Sie auch die Zins- und Tilgungslast dafür tragen. Mit dem derzeitigen Gewinn von 8 - 10 TEUR ist das jedoch nicht möglich. Es ist also ein Businessplan (inkl. Finanzplanungen) zu erstellen, der alle denkbaren Veränderungen aufnimmt: Wegfall des ersten Geschäftsführergehaltes sofort, ggf. Reduzierung des zweiten GF-Gehaltes bis zur endgültigen Übergabe, Einplanung Ihres eigenen Gehaltes, mögliche Reduzierung anderer Betriebskosten, Veränderungen im Betriebskonzept im Vertrieb oder im Marketing usw. usw. - und solche Veränderungen müssen dann auch zwingend umgesetzt werden!
Grundsätzlich ist natürlich eine Finanzierung - insbesondere mit Unterstützung öffentlicher Förderprogramme - machbar, wenn die Grundvoraussetzungen stimmen. Jede Bank wird auf der Basis der letzten Jahresabschlüsse, der angelieferten Wertermittlung und des für Sie als Nachfolger erarbeiteten Businessplanes prüfen, ob der zu finanzierende Kaufpreis zur Umsatz- und Überschuss-Situation des Betriebes passt, ob die Kapitaldienstfähigkeit gegeben ist uvm. Wenn dies alles passt, kann letztlich die GmbH die Finanzierung tragen.
Die Übernahme der Gesellschaftsanteile ist bei Ihnen anspruchsvoll, eine Übernahme von zunächst NUR 13 % und eine weitere Übernahme der 87 % erst in zwei Jahren muss und sollte gesellschaftsrechtlich unbedingt mit Unterstützung eines Juristen wasserdicht gemacht werden! Die 13 % Anteil erlauben Ihnen, selbst als Geschäftsführer, zunächst ansonsten - nichts. Der Haupt-Gesellschafter hätte ohne bindende andere Regelungen jede erdenkliche Gestaltungsmöglichkeit und Sie könnten dazu nur nicken, das aber wird - nach Zahlung eines Kaufpreises! - nicht in Ihrem Interesse sein.
Sie benötigen bei diesem Vorhaben also zwei Fachleute, um Sicherheit (für Sie selbst) in das Projekt zu bringen und um die Gestaltung von Finanzierungskonzept und Gesellschafts- und Übernahmevertrag in Ihrem Sinne zu realisieren: Ein Unternehmensberater, der das Thema Übernahme + Wertermittlung nachweislich qualifiziert beherrscht und ein Anwalt mit der Ausrichtung auf Gesellschaftsrecht (beide möglichst sogar aus der Region, um Reisekosten o.ä. zu vermeiden). Der Unternehmensberater wird eine Wertermittlung nach den aktuellen Vorgaben und Anforderungen erarbeiten, dies ist dann die Basis für die Festlegung des Kaufpreises und für die notwendige Finanzierung. Erst wenn der Kaufpreis steht, kommt der Jurist für die Gestaltung der Verträge ins Spiel. Für die gesamte Abwicklung gilt: Nur konstruktive Diskussionen zwischen Alt-Gesellschaftern, Ihnen als Nachfolge-Interessent und Berater sorgen am Ende für den gewünschten Erfolg.
Die entstehenden Kosten müssen Sie übrigens nicht zwingend komplett selbst übernehmen: Eine Unternehmenswertermittlung wird im Regelfall von den "alten" Gesellschaftern übernommen (und bezahlt), dabei können höchstwahrscheinlich sogar Zuschüsse zu den Beratungskosten in Anspruch genommen werden.
Quelle:
Joachim Brüser
Unternehmensberater CMC/BDU
Mai 2013