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Produkte aus sozialen Einrichtungen anbieten: umsatzsteuerbefreit?

Frage

Ich habe verstanden, dass Gewerbetreibende im sozialen Bereich von der Umsatzsteuer befreit sind. Ich beabsichtige Produkte ausschließlich aus sozialen Einrichtungen (Non-Profit, Behindertenwerkstatt) anzubieten. Allerdings gründe ich eine GmbH und keine gGmbH. Ist dann mein Unternehmen von der Umsatzsteuer befreit und kann als Kleinunternehmer deklariert werden?

Antwort

Viele Dienstleister im sozialen Bereich sind von der Umsatzsteuer befreit. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Erbringung einer Dienstleistung auf ärztliche Anordnung erfolgt. Zu diesen Gruppen gehören u.a. Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, Logopädinnen und Logopäden und Pflegekräfte.

Aus umsatzsteuerlicher Sicht ist jedoch zu unterscheiden, ob eine Befreiungsvorschrift nach § 4 UStG für die Lieferung oder sonstige Leistung vorliegt oder die Regelung der sog. Kleinunternehmerschaft nach § 19 UStG anzuwenden ist.

Die gesetzlichen Befreiungsvorschriften greifen, wenn die vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind.

Auch unabhängig von etwaig bestehenden Umsatzsteuerbefreiungsvorschriften kann die von Ihnen zu gründende Kapitalgesellschaft die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen.

Bei Aufnahme einer (gewerblichen oder freiberuflichen) Tätigkeit - auch im sozialen Bereich - hat der Unternehmer die Wahl, ob er gegenüber der Finanzverwaltung die Anwendung der Kleinunternehmerregelung beantragen will. Die Antragstellung erfolgt bereits bei der Anzeige der Tätigkeit gegenüber der Finanzverwaltung im Rahmen des sog. „Fragebogens zur steuerlichen Erfassung". Dies gilt nicht nur für Einzelunternehmen oder Personengesellschaften, sondern auch für Kapitalgesellschaften.

Anspruch auf Anerkennung der Kleinunternehmerregelung haben nach § 19 Abs. 1 UStG Unternehmer, deren Gesamtumsatz im Vorjahr nicht über 22.000 Euro gelegen hat und im laufenden Jahr voraussichtlich nicht mehr als 50.000 Euro betragen wird. Überschreitet der Kleinunternehmer später die Umsatzgrenzen, wird er qua Gesetz zum folgenden Geschäftsjahr als Vollunternehmer mit allen umsatzsteuerlichen Rechten und Pflichten behandelt.

Der Gesamtumsatz ist in § 19 Abs. 3 UStG legal definiert und ist die Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG abzüglich folgender Umsätze:

1. der Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Bst. i, Nr. 9 Bst. b und Nr. 11 bis 29 steuerfrei sind; 2. der Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Bst. a bis h, Nr. 9 Bst. a und Nr. 10 steuerfrei sind, wenn sie Hilfsumsätze sind.

Nach § 19 Abs. 3 S. 2 UStG ist insbesondere zu beachten, dass, wenn der Unternehmer seine Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt (z.B. bei unterjähriger Aufnahme der Tätigkeit), der tatsächliche Gesamtumsatz in einen Jahresgesamtumsatz umzurechnen ist. Angefangene Kalendermonate sind bei der Umrechnung als volle Kalendermonate zu behandeln, es sei denn, dass die Umrechnung nach Tagen zu einem niedrigeren Jahresgesamtumsatz führt.

Erfolgt die Anerkennung der Kleinunternehmerregelung durch die Finanzverwaltung, wird die Umsatzsteuer auf Umsätze grundsätzlich nicht erhoben. Von der Nichterhebung gibt es jedoch wichtige Ausnahmen wie beispielsweise die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens nach § 13b UStG oder des unberechtigten Umsatzsteuerausweises nach § 14c UStG. In solchen Fällen schuldet der Kleinunternehmer die Umsatzsteuer. Die Kehrseite der Kleinunternehmerregelung ist, dass der Unternehmer keine Vorsteuerabzugsberechtigung hat.

Bei Ausstellung der (Ausgangs-)Rechnung ist darauf zu achten, dass eine Netto-Rechnung ausstellt. Ebenso hat jede Rechnung einen Hinweis auf die Kleinunternehmerschaft zu enthalten. Im Übrigen gelten die Formalvorschriften für Rechnungen nach § 14 Abs. 4 UStG.

Verfahrensrechtlich ist die Kleinunternehmerin oder der Kleinunternehmer nicht zur Abgabe von monatlichen oder vierteljährlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungen verpflichtet. Jedoch ist eine Umsatzsteuerjahreserklärung innerhalb der gesetzlichen Abgabefrist beim Finanzamt einreichen.

Wir weisen darauf hin, dass es sich vorstehend um keine erschöpfende Beurteilung sowie Darstellung der Kleinunternehmerregelung handelt. Aufgrund der Komplexität des Umsatzsteuerrechts und der damit verbundenen vielfältigen Fallstricke empfehlen wir die Inanspruchnahme einer persönlichen oder telefonischen Beratung sowie Begleitung des Gründungsvorgangs durch einen Angehörigen der steuerberatenen Berufe.

Quelle:
Mario Fuhs
Dipl.-Kfm. (FH)
Steuerberater
Fuhs Hastrich Bartsch
Steuerberatungsgesellschaft
Partnerschaft mbB
Mitglied der Steuerberaterkammer Köln

Stand:
August 2020

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