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Handwerk: Verkauf von Holzkunst aus Holzdrechselarbeiten meisterpflichtig?

Frage

Mein Mann (Stahl-Beton-Bauer) erstellt seit über 30 Jahren schöne Sachen. Immer wieder wird er gefragt, ob er die Sachen auch verkauft. Daher wollte er jetzt ein Gewerbe anmelden (Kleingewerberegelung). Geplant ist die Herstellung von Holzkunst im weitesten Sinne. Es sollen verschiedene Sachen aus Holz entstehen: Schalen, Vasen, Becher, Schmuck etc.

Es handelt sich bei allen Stücken um Unikate, die sich in Form, Größe, Holz, Maserung und Gravur unterscheiden. Mein Mann denkt sich die Formen etc. selber aus und sieht sich daher als Künstler.

Die Sachen entstehen aber an der Drechselmaschine, Kreissäge, etc. Da beim Drechseln und anderen Holzberufen Meisterpflicht besteht, stellt sich für uns die Frage, ob wir die Artikel dann trotzdem als Holzkunst verkaufen dürfen.

Antwort

Wie Sie mitteilen, geht es um die Frage, ob die Schaffung von Gegenständen wie Schalen, Vasen, Becher, Schmuck etc., die Sie beispielhaft aufzählen und die Ihr Mann aus Holz fertigt und verkaufen möchte, mithilfe des Anknüpfungstatbestandes „Kunst“ als von der Meisterpflicht nach der Handwerksordnung befreit zu betrachten ist. Weitere wichtige Konsequenzen ergeben sich dann für die Steuerpflichten, da ein freiberuflicher Künstler anders versteuert wird als ein gewerbetreibender selbstproduzierender Handwerker oder ein gewerbetreibender Verkäufer von Holzprodukten.

Grundsätzlich unterfallen Holzdrechselarbeiten, insbesondere Elfenbeinschnitzereien, die Herstellung von Holzspielwaren sowie Tischler- und Raumausstattertätigkeiten unter den aktuell im März 2021 geltenden Katalog der meisterpflichtigen Berufe nach der Anlage A der Gewerbeordnung. Sofern man nicht selbst eine Handwerksmeisterqualifikation hat, benötigt man im Betrieb einen Handwerksmeister, den man als Angestellten beschäftigt.

Eine Ausnahme der Meisterpflichtigkeit besteht nur in sehr engen Grenzen. Man muss dazu die Handwerkskammer, die Gewerbeaufsicht und das Finanzamt davon überzeugen, dass man als freiberuflicher Künstler „Kunst“ herstellt. Um die Umgehung der gesetzlich vorgeschriebenen Meisterpflicht mit dem Argument, man erstelle Kunstwerke, zu verhindern, verlangen die Gerichte, die Finanz- und Gewerbeaufsichtsbehörden und die Handwerkskammern in jedem Einzelfall eine individuelle Überprüfung der Sach- und Rechtslage, bei der klar abgegrenzt wird, ob einerseits „Kunst“ vorliegt oder andererseits „Kunstgewerbe/Kunsthandwerk“.

So genügt es nicht, sich selbst als „Künstler“ zu bezeichnen und ein Geschäftslokal als „Kunstgalerie“ zu eröffnen und einen Internetauftritt mit der Bezeichnung der eigenen Person als „Künstler“ und mit der Bezeichnung des eigenen Warenangebots als „Kunstwerke“ zu verwenden. Vielmehr muss eine Vielzahl von weiteren Voraussetzungen erfüllt sein, damit die Behörden eine Ausnahme von der Handwerksordnung bestätigen. Folgende Fakten legen nach der ständigen Praxis der Handwerkskammern nahe, dass „Kunst“ und nicht ein „Handwerk“ vorliegt:

  • Die Arbeiten stellen eine eigenschöpferische Leistung des Schaffenden mit deutlich sichtbarer künstlerischer Gestaltungshöhe dar, wobei der Künstler die Technik der betreffenden Kunst-Art angemessen beherrscht, es werden Gegenstände und Gestaltungen bei den Werken hervorgebracht, bei denen die persönliche Begabung und nicht erlernbare Handwerksfähigkeiten im Vordergrund stehen und bei denen die Ergebnisse weit über die Standards der handelsüblichen gängigen Alltagswaren hinausgehen.
  • Für einen Künstler und die Schaffung von Kunst spricht weiter, wenn eine Ausbildung mit einem Abschluss an einer Akademie für bildende Künste oder ein ähnlicher Abschluss vorliegt.
  • Weiter ist wichtig: Die Werke werden vom Künstler selbständig erstellt ohne den Einsatz von Hilfs- oder Fachkräften, es ist ein künstlerisches Atelier vorhanden und nicht nur eine gewerbliche Werkstatt, die erstellten Werke werden regelmäßig auf Kunstausstellungen und in Galerien ausgestellt, es gibt ein Werksverzeichnis über alle erstellten Kunstwerke, die Künstlerin und der Künstler kann auf frühere und aktuelle Ausstellungen seiner Kunstwerke verweisen und der Verkauf erfolgt nicht in Läden oder Boutiquen oder Baumärkten oder sonstigen gewerblichen Räumen, sondern als Direktverkauf vom Künstler oder über eine Galerie.
  • Der Künstler muss auch in seinen Fachkreisen als „Künstler“ anerkannt sein, in Künstlerlexika aufgenommen sein und Mitglied in Künstlervereinigungen sein.
  • Auch Auszeichnungen als Künstlerin und Künstler, Preise oder andere Formen der Anerkennung sind vorteilhaft. Typisch für Kunst ist insbesondere auch, dass das geschaffene Werk beim Käufer als Kunstgegenstand behandelt wird und in besonderer Weise in dessen Räumen für die reine Betrachtung ausgestellt ist.
  • Bei Gebrauchsgegenständen des Alltags wie die von Ihnen exemplarisch aufgezählten Gegenstände Schalen, Vasen, Becher, Schmuck etc. würde es davon abhängen, ob die Sachen so hochwertig, empfindlich, einzigartig und kostbar sind, dass sie diesen Status von „Kunstwerken“ für sich in Anspruch nehmen können.

In der Praxis gehen Sie am besten so vor, dass Sie prüfen, ob Ihr Mann zumindest einen Teil der vorgenannten Voraussetzungen, die die Handwerkskammern und die Finanz- und Gewerbeaufsichtsbehörden verlangen, darlegen kann. Wenn ja, ist es das Sicherste, zuerst mit der zuständigen Handwerkskammer einen Termin zu vereinbaren, zahlreiche Kunstwerke zur Ansicht vorzulegen, einen Besichtigungstermin im Atelier anzubieten, sofern ein Atelier vorhanden ist, und dabei konkret und rechtsverbindlich abzuklären, was aus der Sicht der für diese Entscheidung sehr wichtigen örtlichen Handwerkskammer die richtige rechtliche Einordnung des von Ihrem Mann geplanten Tätigseins im „Holzkunstbereich“ ist. Dabei können Sie sich beratend und begleitend von einer Anwaltskanzlei unterstützen lassen, die auf Kunstrecht und Handels- und Gesellschaftsrecht spezialisiert ist.

Quelle:
Dr. Babette Gäbhard
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Stand:
April 2021

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