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Handelsvertretung plus zwei weitere Gewerbe: keine Scheinselbständigkeit?

Frage

Ich bin derzeit fest angestellt (40 Std.) als Mediaberaterin, was heißt, dass ich Werbeplätze auf einem Online-Nachrichtenportal verkaufe. Zusätzlich habe ich zwei Gewerbe angemeldet, eines mit einem Kosmetikvertrieb, eines zusammen mit einem Partner für den Betrieb eines Hotels (GbR). Diese Tätigkeiten laufen bisher nebenbei bzw. der Kosmetikvertrieb liegt brach, weil der Tag einfach zu kurz ist.

Jetzt möchte ich meine Festanstellung in einen Handelsvertretervertrag umwandeln. Das würde heißen, ich wäre zeitlich und räumlich nicht mehr gebunden und könnte alle drei Dinge unter einen Hut bringen. Dass die Sache als Handelsvertreterin als Scheinselbständigkeit angesehen werden kann, weil ich vor allem für einen Auftraggeber arbeite, habe ich schon gelesen - auch wenn alle anderen Kriterien dagegen sprechen. Aber schließt nicht der Betrieb von drei Gewerben gleichzeitig die Scheinselbständigkeit schon aus? Noch selbständiger kann man doch kaum sein, oder? Oder könnte man den Kosmetikvertrieb und die Handelsvertretung in ein Gewerbe stecken, somit mehrere Auftraggeber haben und so aus der Gefahrenzone kommen?

Antwort

Eine hohe Anzahl angemeldeter Gewerbe bedeutet nicht, dass es sich allein deshalb bei allen um selbständige Tätigkeiten handeln muss. Die Idee, den Kosmetikbetrieb und die Handelsvertretung in ein Gewerbe zu stecken, dürfte sich nicht mit den Modalitäten einer Gewerbeanmeldung vereinbaren lassen, was jedoch von anderer Stelle zu beantworten wäre.

Zur Klärung der Rentenversicherungspflicht ist zunächst zu beurteilen, ob die Medienberatertätigkeit als Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs.1 Handelsgesetzbuch (HGB) ausgeübt wird. Hierbei reicht es nicht aus, wenn Sie als Beauftragte im Vertrag lediglich als solche bezeichnet werden. Zielen die gegenseitigen Vereinbarungen nur darauf ab, sozialversicherungsrechtliche Folgen zu vermeiden, so sind diese unwirksam. Es ist somit in der Tat von entscheidender Bedeutung, ob die an dieser Stelle im Gesetz geforderte Freiheit hinsichtlich der Gestaltung der Tätigkeit und der Arbeitszeit auch tatsächlich gegeben ist. Zwar sind gewisse Einschränkungen - auch eine gewisses Weisungsrecht - in einer solchen Geschäftsbeziehung zulässig, sie dürfen jedoch nicht so weitreichend sein, dass den Beauftragten sämtliche Vorteile, die mit der Stellung eines Handelsvertreters verbunden sind, genommen werden und nur noch Nachteile, nämlich die Übernahme des wirtschaftlichen Risikos, verbleiben.

Soweit zu dieser Abgrenzung Zweifel bestehen, empfehlen wir die Durchführung einer Statusfeststellung (Clearingverfahren). Auf diese Weise können Sie, aber in erster Linie der für die Beitragszahlung haftende Auftraggeber, das Risiko einer nachträglichen Beitragsnachforderung als Ergebnis von Betriebsprüfungen u.ä. vermeiden. Nähere Informationen und den Antragvordruck finden Sie hier (www).

Bestätigt es sich, dass Sie die Tätigkeit als Medienberaterin als selbständige Handelsvertreterin ausüben, wäre in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob Sie zu den Selbständigen gehören, die auf Dauer und im wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, da für diese Selbständigen die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Ein Selbständiger ist dann im Wesentlichen von einem Auftraggeber abhängig, wenn er mindestens fünf Sechstel seiner gesamten Betriebseinnahmen aus den zu beurteilenden Tätigkeiten allein aus der Tätigkeit für einen Auftraggeber bezieht, wobei in diese Prüfung auch alle übrigen selbständig ausgeübten Tätigkeiten einbezogen werden. Auf die zeitliche Belastung durch verschiedene Auftraggeber kommt es hingegen nicht an. Soweit sich die Betriebseinnahmen auf verschiedene Auftraggeber so verteilen, dass nicht mehr als fünf Sechstel von einem Auftraggeber kommen, besteht keine Versicherungspflicht.

Die Versicherungspflicht tritt für den Selbständigen mit einem Auftraggeber ebenfalls nicht ein, wenn die selbständige Tätigkeit als geringfügig anzusehen ist, d.h. wenn der monatliche steuerrechtliche Gewinn nicht mehr als 450 Euro beträgt oder wenn im Rahmen der Selbständigkeit mindestens ein Arbeitnehmer mit einem monatlichen Entgelt oberhalb von 450 Euro beschäftigt wird.

Sofern aufgrund dessen Versicherungspflicht besteht, kann eine Befreiung für Existenzgründer für die Dauer von drei Jahren beantragt werden (verspätete Antragstellung führt zur Verkürzung des Befreiungszeitraumes). Nach Ablauf der drei Jahre tritt dann die Versicherungspflicht ein, es sei denn es wird, wie bereits beschrieben, entweder ein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer beschäftigt oder die Betriebseinnahmen verteilen sich so auf die verschiedenen Auftraggeber, dass nicht mehr als fünf Sechstel von einem Auftraggeber kommen. Weitere Informationen darüber finden Sie in dieser Broschüre (www).

Nicht zuletzt aufgrund Ihrer bereits erworbenen Ansprüche und den Auswirkungen ausbleibender Beitragszahlungen empfehlen wir Ihnen jedoch, sich in der nächst gelegenen Auskunfts- und Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung konkret zu informieren. Nur im persönlichen Beratungsgespräch kann auf Ihre Situation individuell eingegangen und können die aus Ihren Entscheidungen resultierenden Auswirkungen erläutert werden.
Bitte vereinbaren Sie hier (www) einen Termin.

Darüber hinaus besteht in der Auskunfts- und Beratungsstelle die Möglichkeit, im Rahmen eines gesonderten Termins ihre Altersvorsorgesituation grundsätzlich zu analysieren und sich anbieter- und produktneutral über staatliche Fördermöglichkeiten zu informieren. Allgemeine Informationen darüber finden Sie hier (www).

Quelle:
Carsten Schulz
Deutsche Rentenversicherung Bund
April 2014

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