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Nebenberufliche Selbständigkeit für einen Auftraggeber: Scheinselbständigkeit?

Frage

Ich bin in einer festen Anstellung in Vollzeit als Backend-Entwickler für ein E-Commerce-Unternehmen. Ich möchte weiterhin meinen Beruf als Haupttätigkeit behalten, aber die Möglichkeit nutzen, Aufträge annehmen zu können. Wahrscheinlich würde ich erst einmal nur für diesen einen ehemaligen Kollegen einige Aufträge annehmen, da ich das Ganze wirklich nur als kleine Nebentätigkeit ausüben möchte und nicht viele Stunden pro Monat investieren möchte und nicht auf aktive Suche nach anderen Aufträgen gehen würde. Wird das als Scheinselbständigkeit gewertet? Die Aufträge wären sehr unregelmäßig, ich wäre nicht Vorort, sondern über 400 km entfernt und wäre in keiner Weise in das Unternehmen eingebunden.

Antwort

Zunächst muss zweifelsfrei festgestellt werden, ob es sich hierbei um eine selbständige Tätigkeit oder um eine abhängige Beschäftigung handeln würde. Nur wenn real ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, besteht die Gefahr der so genannten „Scheinselbständigkeit“.

Für diese Beurteilung sind die tatsächlichen Verhältnisse ausschlaggebend, unter denen Sie diese Tätigkeit ausüben. Die vertraglichen Vereinbarungen haben hierbei nur eine untergeordnete Bedeutung, wenn die realen Verhältnisse auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis hindeuten. Kriterien zur Abgrenzung sind zum Beispiel eine Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Art der Arbeitsverrichtung sowie die Eingliederung in den Arbeitsbetrieb, was auch bei einem Heimarbeitsplatz gegeben sein kann. Andererseits kann es auf eine Selbständigkeit hindeuten, wenn Sie selbst ein wirtschaftliches Risiko tragen indem Sie eigenes Kapital oder Arbeitsmittel einbringen oder Eigenwerbung betreiben können. Letztendlich entscheidet das Gesamtbild dieser Geschäftsbeziehung darüber, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und somit grundsätzlich Beitragspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung besteht.

Soweit zu der beschriebenen Abgrenzung Zweifel bestehen, empfehlen wir die Durchführung einer Statusfeststellung (Clearingverfahren). Auf diese Weise können Sie, aber in erster Linie der für die Beitragszahlung haftende Auftraggeber, das Risiko einer nachträglichen Beitragsforderung als Ergebnis von Betriebsprüfungen u.ä. vermeiden. Im Internet finden Sie nähere Informationen und den Antragvordruck.

Liegt im Ergebnis tatsächlich eine Selbständigkeit vor, wäre zu prüfen, ob Sie zu den Selbständigen gehören, die kraft Gesetz in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sind. Dies wäre der Fall, wenn Sie diese Tätigkeit auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber ausüben. Sie sind dann im Wesentlichen von einem Auftraggeber abhängig, wenn Sie mindestens fünf Sechstel der gesamten Betriebseinnahmen aus den zu beurteilenden Tätigkeiten allein aus der Tätigkeit für einen Auftraggeber beziehen. Nach Ihrer Schilderung würde dies auf Sie zutreffen. Die Versicherungspflicht würde als Selbständiger mit einem Auftraggeber hingegen nicht eintreten, wenn die selbständige Tätigkeit als geringfügig anzusehen ist, d.h. wenn der monatliche steuerrechtliche Gewinn nicht mehr als 450 Euro beträgt oder wenn Sie selbst im Rahmen der Selbständigkeit mindestens ein Arbeitnehmer mit einem monatlichen Entgelt oberhalb von 450 Euro beschäftigen, wobei Letzteres bei dieser Art von Tätigkeit eher unwahrscheinlich sein dürfte.

Besteht hiernach als Selbständiger mit einem Auftraggeber und einem steuerrechtlichen Gewinn über 450 Euro Versicherungspflicht, kann eine Befreiung für Existenzgründer für die Dauer von drei Jahren beantragt werden (verspätete Antragstellung führt zur Verkürzung des Befreiungszeitraumes). Nach Ablauf der drei Jahre tritt Versicherungspflicht ein, es sei denn es wird - wie bereits beschrieben - entweder ein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer beschäftigt oder die Betriebseinnahmen verteilen sich dann so auf verschiedene Auftraggeber, dass nicht mehr als fünf Sechstel von einem Auftraggeber kommen.

Sofern Sie weitere Fragen haben oder Unterstützung - auch bei der Beantragung der Statusfeststellung - benötigen, können Sie sich auch an die nächst gelegene Auskunfts- und Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung wenden. Bitte vereinbaren dazu Sie einen Termin.

Quelle: Carsten Schulz
Deutsche Rentenversicherung Bund
Juli 2018

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