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Nebenerwerbsgründung „Trainer für Stressbewältigung“: freiberuflich oder gewerblich?

Frage

Ich habe Ingenieurwesen studiert, arbeite aber seit über 8 Jahren bei einer Bundesbehörde in beratender Tätigkeit (nicht als Ingenieur). Vor kurzem habe ich eine Ausbildung zum "Trainer für Stressbewältigung" absolviert. Ich möchte diese Tätigkeit in einer Nebentätigkeit mit 8 - 10 Stunden pro Monat und bis max. 400 Euro pro Monat im Rahmen eines Kleinunternehmens ausüben. Meinen Arbeitgeber habe ich diesbezüglich schon schriftlich informiert. Auf Nachfrage haben meine Krankenkasse und der Rentenversicherungsträger mir mitgeteilt, dass sich nichts für mich bei der entsprechenden Stelle ändert. Ich habe mich bei meinem zuständigen Gewerbeamt informiert bezgl. der Frage, ob dies eine gewerbliche oder eine freiberufliche Tätigkeit ist. Mir wurde mitgeteilt, dies wäre eine gewerbliche Tätigkeit. Nach meiner Recherche und den gelesenen Antworten auf dieser Seite kommen mir da leichte Zweifel. Wäre dies eine freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit?

Antwort

Da Sie die Fragen zur Kranken- und Rentenversicherung bereits geklärt haben, konzentriert sich diese Antwort auf den Aspekt der steuerlichen Freiberuflichkeit. In Ihrer Angelegenheit ist dabei besonders zu beachten, in welcher Form auch Einzelunterricht als steuerlich freiberuflich gelten kann. Beachten Sie bitte besonders Absatz 3.

"Unterrichtend" ist jede Art der persönlichen Lehrtätigkeit, insbesondere auch der Unterricht im Tanzen, Schwimmen, Reiten usw. gehört (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 18. Februar 1920 II A 59/20, RStBl. 1920, 244; BFH-Urteil vom 27.September 1956 IV 601/55 U, BFHE 63,357, BStBl. III 1956, 334). Beschränkt sich die Tätigkeit allerdings nicht auf das Vermitteln von Fertigkeiten, sondern werden im Zusammenhang mit der Unterrichtstätigkeit auch noch andere Leistungen geboten, so kann je nach Art und Umfang dieser anderen Leistungen insgesamt eine gewerbliche Betätigung vorliegen. Das gilt bei der Erteilung von Reitunterricht vor allem für die Fälle, in denen neben der Unterrichtserteilung auch noch Reitanlagen zur Verfügung gestellt sowie Clubräume und dergleichen bereitgestellt werden (BFH IV R 191/74, 1978). "Unterricht ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen durch Lehrer an Schüler in organisierter und institutionalisierter Form" (vgl. BFH-Urteile vom 13.Januar 1994 IV R 79/92, BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362, und vom 18. April 1996 IV R 35/95, BFHE 180, 568, BStBl II 1996, 573).

Die organisierte und institutionalisierte Form des Unterrichts setzt u. a. ein auf ein bestimmtes Fachgebiet bezogenes schulmäßiges Programm zur Vermittlung von Kenntnissen an den/die Lernwilligen voraus. Dies schließt einen Individualunterricht zwar nicht aus, wie sich auch aus den Urteilen des IV. Senats zum Fitness- und Bodybuilding-Studio ergibt (vgl. Urteile in BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362, und in BFHE 180, 568, BStBl II 1996, 573). In diesen Fällen wird bei der Durchführung eines nach Lehrziel und Lehrmethode feststehenden Programms - Training des Körpers unter Zuhilfenahme von Geräten - der Unterricht auf die besonderen Bedürfnisse des einzelnen abgestellt. Lassen sich jedoch Kenntnisse nicht aufgrund eines für das bestimmte Fachgebiet allgemeingültigen, im Einzelfall abwandlungsfähigen Lehrprogramms vermitteln, sondern erfordert die Tätigkeit die Erarbeitung und Entwicklung eines auf die speziellen Bedürfnisse einer Person abgestellten, nicht auf einen Fachbereich beschränkten Programms, so stellt dies keine Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form mehr dar. Es handelt sich hierbei um eine beratende Tätigkeit.

Eine wissenschaftliche Fachausbildung oder ein formaler Befähigungsnachweis ist für eine unterrichtende Tätigkeit im Allgemeinen nicht erforderlich. Entscheidend ist, dass der Unterrichtende die sein Unterrichtsgebiet betreffenden Kenntnisse und Fertigkeiten besitzt, sowie die Fähigkeit, diese den Schülern zu vermitteln (BFH IV R 130/79 v. 1. 4. 1982, BStBl. II 82, 589 = BFHE 136, 86).

Beachten Sie bitte unbedingt noch das Folgende: Es kommt immer wieder vor, dass die Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung akzeptiert werden. Betroffene Personen gehen dann ebenso häufig wie fälschlich von einer Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) bei Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte "verbindliche Auskunft" des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit sehr hohen Anforderungen und Kosten verbunden. Unsere Empfehlung ist, der Anzeige der Aufnahme einer freiberuflichen (selbstständigen) Tätigkeit eine schriftliche Begründung beizufügen. Die Höhe der Einkommensgrenze, ab der Sie tatsächlich Gewerbesteuer zahlen müssten, hängt von persönlichen und örtlichen (Hebesatz) Verhältnissen ab.

Quelle:
Dr. Willi Oberlander M.A.
Geschäftsführer
Institut für Freie Berufe an der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg e.V. (IFB)
März 2014

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