Büroadresse als virtuelle Adresse für Dritte anbieten?
Frage
Ich plane eine Geschäftsgründung, die darauf abzielt ein Büro anzumieten und die Adresse dann Privatpersonen mit Wohnsitz in Deutschland gegen ein kleines Entgelt zur Nutzung im Impressum ihrer Webseiten zur Verfügung zu stellen. Also quasi ein virtuelles Büro nur für Privatpersonen und in einem Preisrahmen, der das für jedermann erschwinglich macht. Die zu erwartende geringe Anzahl an Poststücken würde ich gegen einen geringen Aufschlag auf die Portokosten weiterleiten und bei erhöhtem Postaufkommen einen Nachsendeauftrag bei der Post einrichten. Einzig unklar scheint mir die Frage, ob ich aufgrund der Forderung einer "ladungsfähigen Adresse" Schreiben von Gericht annehmen muss, die nur an den Adressaten oder dessen Bevollmächtigten ausgehändigt werden (ob ich also eine Vollmacht zur Annahme brauche). Oder ist es ausreichend in diesen seltenen Fällen die Wohnadresse der Betroffenen herauszugeben?
Antwort
Ihre Fragestellung ist sehr abstrakt und daher kann ich Ihnen nur erste unverbindliche Überlegungen zur Rechtslage mitteilen. Wegen der Einzelheiten wenden Sie sich am besten an eine Anwaltskanzlei, die alle Einzelheiten von Ihnen mitgeteilt bekommt und für Sie dann konkret zu Ihrer Umsetzungsvorstellung Ihrer Idee die Rechtslage recherchieren kann. Bei der von Ihnen skizzenhaft beschriebenen Konzeption fällt mir beispielsweise ohne Anspruch auf Vollständigkeit folgendes auf:
- Wenn Sie einen Büroraum anmieten wollen, ist es wichtig, dass Sie im Mietvertrag mit dem Vermieter regeln, dass Sie eine gewerbliche Tätigkeit zu beginnen beabsichtigen und eine Vielzahl von Klingeln, Namensschildern und Briefkästen am Haus installieren wollen. Dieses Verhalten wird von vielen Vermietern abgelehnt, weil das Haus dann im Internet und nach dem Außenauftritt als Briefkastenfirmen-Anschrift erkennbar sein kann. Dies möchten meist auch die weiteren Mieter im Haus nicht, weil sonst der Eindruck entsteht, dass sie selbst sich kein ordentliches Büro leisten können und daher eine virtuelle Briefkasten-Anschrift haben könnten. Es ist daher sehr wichtig, dass Sie bei der Anmietung vorab abklären, ob das von Ihnen beabsichtigte Gewerbe überhaupt an dieser Mietadresse möglich sein wird.
- Sie schreiben weiter, dass Sie Privatpersonen helfen wollen, eine virtuelle Anschrift zu haben. Es stellt sich die Frage, ob Ihre Zielgruppe überhaupt Privatpersonen sein werden, denn wenn diese eine Webseite haben und Einkünfte damit erzielen, werden sie vom Gesetz als Unternehmer, jedenfalls aber nicht als Verbraucher, eingestuft.
- Wichtig ist, dass nicht gegen Gesetze verstoßen wird, indem beispielsweise Privatpersonen Meldebehörden oder sonstigen Behörden oder Dritten vorspiegeln könnten, dass sie an Ihrer Büroanschrift wohnen.
- Sie schreiben weiter, dass Sie mit geringem Postaufkommen rechnen. Dies können Sie aber mutmaßlich nicht steuern, da ja nicht Ihre Kunden, sondern Dritte Briefe an Ihre Kunden versenden. Da Ihre Kunden Internetgewerbetreibende sein könnten, sonst bräuchten sie ja keine Webseite mit Impressum, ist vorsorglich mit hohem Postaufkommen zu rechnen.
- An einer „ladungsfähigen Anschrift“ muss die zu ladende Person wohnen oder ihr Büro haben und sie muss sicher und zuverlässig erreichbar sein. Ob eine „Empfangsvollmacht für zuzustellende Schriftstücke“ ausreicht, wäre auch abzuklären und kommt auf die Einzelumstände an, u.a. welche Art von Post an Ihre Kunden formell zugestellt werden könnte und wer in Ihrem Unternehmen der Bevollmächtigte sein soll bzw. in welcher Beziehung er zum Kunden steht. In der Vollmacht muss eindeutig geregelt sein, welche natürliche Person in Vertretung für welche andere Person welche Art von Schriftstücken als rechtswirksame Zustellung in Empfang nehmen darf. Diese Bevollmächtigten-Person muss, um ihre Aufgabe wahrnehmen zu können, zu den Postzustellungstageszeiten an den Werktagen im Büroraum anwesend sein.
- Wenn ein Nachsendeantrag eingerichtet würde, was Sie ja auch überlegen, ist zu beachten, dass viele Postdienstleister Ausnahmen bezüglich des Umfangs der Weiterleitung haben. Auch ist eine „ladungsfähige Anschrift“ bei einer Postweiterleitung nicht mehr gegeben.
- Sie schreiben weiter, dass Sie eine „Versicherung für Ihr Geschäftsmodell“ abschließen wollen. Versicherungsgesellschaften werden Sie mutmaßlich darüber informieren, dass Sie verpflichtet sind, selbst für eine korrekte Einhaltung aller Rechtsvorschriften bei Ihrer geplanten unternehmerischen Tätigkeit zu sorgen, dies unter Einschaltung von Rechts- und Steuerberatern.
- Weiter hängt viel davon ab, wo, wie und mit welchen Vertragsleistungen Sie Ihre geschäftlichen Tätigkeiten anbieten wollen. Zunächst muss ein rechtssicherer Rahmen geschaffen werden, auch durch Verträge oder AGBs, in denen klar beschrieben ist, was Sie anbieten und wofür Sie haften und einstehen werden. Da Fehler bei der Weiterleitung von Post enorme Folgen haben können bis hin zu Versäumnisurteilen in Gerichtsverfahren, weil beispielsweise die Klage oder die Berufung nicht die Kunden erreicht haben könnte, ist das von Ihnen angebotene Geschäft sehr haftungsträchtig. Selbst wenn ein Gegner von einem Ihrer Kunden eine letzte Frist an einen Ihrer Kunden setzt und Sie leiten das nicht sofort weiter, kann Ihrem Kunden ein hoher Schaden entstehen, indem beispielsweise eine wichtige Geschäftsbeziehung gekündigt wird, ein teures Inkassounternehmen eingeschaltet wird etc. Sie tragen grundsätzlich bei einer vertraglich vereinbarten Weiterleitung von Post die Beweislast, dass Sie die gesamte Post korrekt weitergeleitet haben. Daher können Sie im Grunde nur per Einschreiben Post weiterleiten, die Post von den Kunden persönlich abholen lassen oder auf Anweisung Ihrer Kunden die Post öffnen und per Mail oder Fax vorab an Ihre Kunden senden. Inwieweit Sie durch individuelle Einzelvereinbarungen eine abweichende Regelung treffen können, wäre durch eine Anwaltskanzlei zu prüfen, denn AGB oder Musterverträge, die Sie für eine Vielzahl von Fällen einsetzen, unterliegen den strengen Bestimmungen der Klauselkontrolle nach den §§ 305 ff BGB und dürfen insbesondere die rechtlichen Kardinalpflichten im Vertragsverhältnis nicht in unangemessener, intransparenter oder überraschender Weise zu Lasten der Kunden abändern.
- Zu bedenken ist auch, dass umfangreiche Pflichten von Ihnen und von Ihren Kunden im Datenschutz - Stichwort „Europäische Datenschutz-Grundverordnung“ - zu beachten sind, wenn Ihr Postweiterleitungsunternehmen heimlich zwischengeschaltet ist.
- Weitere Besonderheiten in diversen Rechtsgebieten, die sich unter anderem beispielsweise auch aus den möglichen Geschäftsfeldern ergeben können, die bei Ihren Kunden betroffen sind, können zusätzlich zu beachten sein.
An diesen ersten Überlegungen können Sie sehen, dass eine gründliche Abklärung der rechtlichen und praktischen Voraussetzungen erforderlich ist, bevor Sie Ihre Geschäftstätigkeit starten. Seien Sie sich dabei bewusst, dass Ihre Überlegung, ein „kleines Entgelt“ zu nehmen, Sie nicht automatisch vor einer „großen Haftung“ schützen würde.
Quelle: Dr. Babette Gäbhard
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Mitglied der Rechtsanwaltskammer München
August 2018
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