Antwort
Zunächst wäre zu klären, ob es sich bei Ihrem Dienstvertrag zur Schiffsführung um einen Arbeitsvertrag handelt. Dabei ist nicht entscheidend, was in Ihrem Vertrag steht. Vielmehr geht es um die Frage, wie Ihre Dienstleistung faktisch gestaltet ist. Die wichtigsten Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit sind das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügbarkeit über die eigene Arbeitskraft und eine im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Schon die Tatsache, dass Sie offenbar nur für einen Auftraggeber tätig werden, spricht für eine Prüfung des Sachverhaltes. Nähere Informationen zur Scheinselbständigkeit finden Sie im Existenzgründungsportal des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
In der Schiffsführung ist der freie Beruf des Lotsen zu nennen. Hierbei handelt es sich um amtlich zugelassene Berater der Schiffsführung auf bestimmten, schwierig zu befahrenden Wasserstraßen. Die Zulassung zu diesem Beruf setzt ein Kapitänspatent und eine Sonderausbildung voraus.
Kommen wir zu einem anderen Weg in den freien Beruf, zur unterrichtenden Tätigkeit. Hier käme zunächst die Reiseleitung im weiteren Sinne in Betracht. Die Rechtsprechung hierzu ist nicht eindeutig. So hat das Finanzgericht Nürnberg mit Urteil vom 24. Mai 1962 (EFG 1963, 63) die selbstständig ausgeübte Tätigkeit eines Reiseleiters als Gewerbebetrieb angesehen. Der Bundesfinanzhof hat einen Fremdenführer ebenfalls als gewerblich eingestuft (BFH-Urteil vom 9.7.1986, I R 85/83, BStBl. 1986 II S. 851). Zu einem anderen Schluss kam das Finanzgericht Hamburg (29.6.2005, II 402/03). Das Finanzgericht Berlin stellte zur Informationsfahrtbegleitung fest, dass es sich unter bestimmten Voraussetzungen um eine unterrichtende Tätigkeit handeln kann: (Zitat) „Als Unterricht wird demgegenüber planmäßiges und regelmäßiges Lehren (...) oder die systematische Vermittlung von Bildungsgut im Rahmen der Erziehung (...) verstanden. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß dem vermittelten Wissen eine über den aktuellen Bezug hinausreichende Bedeutung zukommt und - was regelmäßig damit in Zusammenhang steht - eine gewisse Verarbeitung des Informationsstoffes erforderlich ist. (...) Von Unterricht kann deshalb nur gesprochen werden, wenn der zu vermittelnde Stoff sowohl dem Inhalt als auch dem Umfang nach eine solche Informationsverarbeitung erfordert.“ (Zitatende)
Quelle: Finanzgericht Berlin, V. Senat, 29. Juli 1976, Aktenzeichen V 38 u. 39/76
Die genannten Anforderungen sind grundsätzlich auf andere Arten des Unterrichts übertragbar, etwa auch in der Schiffsführung. Wenn die Tätigkeit also in der Erschließung und Vermittlung von Wissen besteht, kann sie freiberuflich sein. Die unterrichtende Dienstleistung muss dabei eindeutig den Schwerpunkt bilden. Ob eine solche Tätigkeit freiberuflich ist, kann in der Regel nur über Einzelfallentscheidung bestimmt werden.
Zu dieser Art der Beschreibung kommt allerdings noch die Anforderung an den Fremdenführer, der nachweislich in der Lage sein sollte, ausreichendes Wissen verfügbar zu machen. Die Anforderung erforderlicher Kenntnisse ist nicht zwingend mit einem Hochschulstudium oder einer anderen abgeschlossenen Ausbildung verbunden. Kommen Qualifikation und entsprechende Tätigkeit zusammen, haben wir einen freien Beruf im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Dann wäre allerdings noch zu prüfen, ob das Gewerberecht ebenfalls zu diesem Ergebnis kommt (das ist leider so kompliziert).
Nach dem Gewerberecht jedoch liegt Unterricht als „Dienstleistung höherer Art“ nur dann vor, wenn für die Ausübung der Tätigkeit ein Hochschulstudium erforderlich ist. Bei unterrichtenden Tätigkeiten muss es sich um Schulunterricht handeln. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass zahlreiche Lehrende in unterschiedlichsten Fächern fälschlicherweise von freiberuflichen Tätigkeiten ausgehen, weil ihnen der gewerberechtliche Aspekt nicht bekannt ist. Betroffene Personen vermuten dann nach Anzeige eines freien Berufes beim Finanzamt ebenso häufig wie fälschlich eine Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) bei Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit hohen Anforderungen und mit Kosten verbunden. Im Zweifelsfall sollten Sie mit Ihrem Finanzamt sprechen, das auch eine beratende Funktion hat.
Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
Juni 2018
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