Antwort
Zum besseren Verständnis der folgenden Ausführungen bitte ich zu berücksichtigen, dass Gesetzgebung und Rechtsprechung zu freien Berufen nicht dem Stand der Entwicklung von Berufen und Berufsbildern entsprechen, was nicht selten zu Umwegen bei der Annäherung an die steuerliche Freiberuflichkeit führt, auch wenn nach dem Willen des Gesetzgebers freie Berufe vorliegen. Dies ist bei Ihnen zweifellos der Fall!
So kommen für Sie folgende (Um-)Wege in den freien Beruf in Betracht: die wissenschaftliche und die unterrichtende Tätigkeit sowie die beratende Betriebswirtin.
Zur wissenschaftlichen Tätigkeit: Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (Bundesfinanzhofs) setzt die Annahme einer wissenschaftlichen Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG voraus, dass eine hochstehende, besonders qualifizierte Arbeit ausgeübt wird, die dazu geeignet ist, schwierige Streit- und Grenzfälle nach streng objektiven und sachlichen Gesichtspunkten zu lösen. Der Begriff der Wissenschaftlichkeit ist in besonderem Maße mit den Disziplinen verbunden, die an den Hochschulen gelehrt werden. Kenntnisse, die ein Steuerpflichtiger sich lediglich aufgrund praktischer Erfahrungen angeeignet hat, reichen in der Regel nicht als Grundlage für eine wissenschaftliche Tätigkeit aus.
Auch die angewandte Wissenschaft – Anwendung von aus der Forschung hervorgegangenen Erkenntnissen auf konkrete Vorgänge – kann die Voraussetzungen für eine wissenschaftliche Tätigkeit erfüllen. Grundsätzlich müssen die Ergebnisse von der Methodik her nachprüfbar und nachvollziehbar sein. Entsprechende Dokumentationen sind erforderlich. Eine beratende Tätigkeit kann als wissenschaftlich angesehen werden, wenn die mit den einzelnen Aufträgen gestellten Aufgaben mit Anforderungen verbunden sind, wie sie wissenschaftliche Prüfungsarbeiten (z.B. Diplomarbeiten) oder wissenschaftliche Veröffentlichungen aufweisen. Unerheblich sind für das Merkmal der „Wissenschaftlichkeit“ die vom Auftraggeber verfolgten Zwecke.
Wie schwer das Thema zu fassen ist, zeigen die folgenden Urteile:
Nach einem Urteil des Finanzgerichts München vom 16.11.2004 (FG München, 6 K 86/03, EFG 2005, 382) ist die Tätigkeit eines so genannten klinischen Monitors, der als Bindeglied zwischen der Pharmaindustrie, die neue Medikamente entwickelt, und den Prüfärzten, die die Medikamente an den Kliniken testen, tätig ist, und der die Prüfärzte zu überwachen und dafür zu sorgen hat, dass bei den Tests einheitliche Standards eingehalten werden, nicht als wissenschaftlich, sondern als gewerblich zu beurteilen.
Die von einem Arzt angebotene Tätigkeit eines Krankenhausberaters wurde als gewerblich eingestuft (BFH, 16.09.1999 - XI B 63/98). In der Begründung heißt es: „In diesem Sinne ähnelt der Beruf des Klägers nicht einem bestimmten Katalogberuf. Daß der Kläger für seinen Beruf eines Krankenhausberaters seine Ausbildung im Katalogberuf Arzt nutzt und die Tätigkeit möglicherweise der eines beratenden Volks- oder Betriebswirts i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG entspricht und damit der Gruppe der Katalogberufe insgesamt ähneln könnte, genügt danach nicht, um seine Tätigkeit als freien Beruf einzustufen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 110, 40, BStBl II 1973, 730, und vom 26. November 1992 IV R 109/90, BFHE 170, 88, BStBl II 1993, 235).“
Hier noch ein interessantes Urteil: „Zur Weiterbildung als Fachkrankenpfleger für Krankenhaushygiene kann zugelassen werden, wer eine staatliche Anerkennung als Krankenpfleger besitzt. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 22.1.2004, IV R 51/01, BFH-PR 2004, 254) ist die Ausbildung zum Beruf des Krankenpflegers derjenigen des Krankengymnasten (Physiotherapeuten), eines Katalogberufs i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, ähnlich. Deshalb liegt die Vergleichbarkeit der Ausbildung des Fachkrankenpflegers für Hygiene mit der des Krankengymnasten auf der Hand.“ BFH, Urteil vom 6.9.2006, XI R 64/05, ähnlich auch FG Münster, Urteil vom 29.04.2014 - 2 K 3993/12 G
Entsprechendes gilt für die staatlich geprüfte Krankenschwester. Da examinierte Krankenschwestern auch im QM tätig sind, ist diese Aufgabe als dem Berufsbild zugehörig anzusehen. Dies könnte bedeuten, dass Sie auf diesem Weg den Zugang zum freien Beruf finden!
Kommen wir zum Unterricht: Bei nebenberuflicher Unterrichtstätigkeit ist in der Regel von Einkünften aus selbständiger Arbeit im Sinne des Einkommensteuergesetzes auszugehen. Dies gilt vor allem dann, wenn diese Lehrtätigkeit nur wenige Wochenstunden umfasst. Als promovierte Pflegepädagogin sind Sie hier zweifelsfrei freiberuflich. Ergänzend verweise ich auch auf die PRAXISHILFE: Lehrende, Trainer und Coaches – freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit? (PDF, 101 KB) zu unterrichtenden Tätigkeiten, für Sie insbesondere zum Coaching.
Zur beratenden Betriebswirtin: Die Rechtsprechung knüpft bei der Beurteilung der Freiberuflichkeit von Unternehmensberatern in erster Linie an eine qualifizierte, fachlich auf die konkrete Berufstätigkeit bezogene Vorbildung an – zumindest als staatlich geprüfter Betriebswirt. Darüber hinaus muss die praktische Tätigkeit des Beraters hinreichend breit angelegt sein. Der für die Beurteilung des Unternehmensberaters relevante Katalogberuf ist der des beratenden Betriebswirtes. Erforderlich ist insbesondere das Vorhandensein eines Abschlusses zumindest als staatlich geprüfter Betriebswirt und der tatsächliche Einsatz von Kenntnissen aus den Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre. Schwerpunkte der BWL sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes: Unternehmensführung, Leistungserstellung (Fertigung von Gütern/Bereitstellung von Dienstleistungen), Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen. Nähere Informationen zum freien Beruf des beratenden Betriebswirtes finden Sie in der PRAXISHILFE: Beratender Betriebswirt als freier Beruf (PDF, 53 KB).
Auf der Grundlage dieser Voraussetzungen müssen wir davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für den beratenden Betriebswirt bei Ihnen nicht erfüllt sind. Noch einmal zur Verdeutlichung der Rechtsprechung: Wenn etwa ein Biologe beratend tätig wird, so wird dies nur als freiberuflich angesehen, wenn die Beratung die Anforderungen an die wissenschaftliche Tätigkeit erfüllt (siehe oben).
Beachten Sie bitte noch das Folgende: Nach vorliegenden Erfahrungen kommt es häufig vor, dass selbstständige Dienstleister dem Finanzamt einen freien Beruf anzeigen und dabei von einer Freistellung vom Gewerbe ausgehen. Oft werden Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung akzeptiert. Betroffene Personen gehen dann ebenso häufig wie fälschlich von einer Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) beim Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit hohen Anforderungen und mit Kosten verbunden.
Sollten Sie sich etwa entschließen, mit dem Finanzamt sowohl eine freiberufliche (unterrichtende, wissenschaftliche) als auch eine gewerbliche Tätigkeit (Beratung, aber vergessen Sie hier die examinierte Krankenschwester nicht!) zu vereinbaren, beachten Sie bitte das Folgende zu den so genannten „gemischten Tätigkeiten“.
In der Praxis ist die Handhabung gemischter Tätigkeiten durchaus machbar. Sie haben im Grunde nur zwei unterschiedliche (elektronische) Formulare in der Einkommensteuererklärung. Hinzu kommt die Trennung in der Buchhaltung (siehe gemischte Tätigkeiten). Da Sie die genannten Dienstleistungen im Nebenerwerb anbieten, könnten auch bei gewerblicher Einstufung keine steuerlichen Nachteile entstehen. Dies gilt vor allem dann, wenn Sie (nur) teilweise freiberuflich tätig sind. Im Umgang mit dem Finanzamt gilt der Grundsatz der Einzelfallprüfung. Das Ergebnis Ihrer Anmeldung ist also von der Entscheidung des Finanzamtes abhängig, die auf Grund unterschiedlicher Handhabung derartiger Fragen nicht näher bestimmt werden kann.
Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
Feburar 2020
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