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Nachhilfeschule gründen: Qualifikation?

Frage

Ich plane, mich mit einer privaten Nachhilfeschule im Laufe des nächsten Jahres selbständig zu machen. Schon zu Studentenzeiten (BWL, Außenhandel) hat es mir Spaß gemacht, Schülern Nachhilfeunterricht in Englisch und Französisch zu erteilen. Ich bin keine Lehrerin, habe aber ein Diplom in BWL und eine kaufmännische Ausbildung. Können Sie mir bitte sagen, ob ich ein privates Nachhilfeinstitut gründen kann, ohne dass ich Lehramt studiert habe? Was muss ich sonst noch beachten?

Antwort

Sie können eine Sprachschule gründen. Weil Sie jedoch nicht über eine einschlägige (Hochschul-)Ausbildung verfügen, gilt: Nachhilfeunterricht kann unabhängig von der Qualifikation der Unterrichtenden gewerbepflichtig sein. Im Einzelfall kann die Finanzverwaltung die Freiberuflichkeit akzeptieren, während das Gewerbeamt eine Gewerbeanmeldung fordert. Die Begründung aus der Sicht der Gewerbebehörden lautet: Eine Dienstleistung höherer Art liegt nur dann vor, wenn für die Ausübung der Tätigkeit ein Hochschul- oder Fachhochschulstudium erforderlich ist. Für den Nachhilfeunterricht wird dies nach vorherrschender Meinung verneint. Nachhilfe könne nach dieser Auffassung etwa auch von Studenten oder fortgeschrittenen Schülern erbracht werden: (Zitat) Ein solcher Unterricht ist aber weder inhaltlich noch vom Lehrpersonal als Dienstleistung "höherer Art" anzusehen. Dies hat auch das von der Klägerin zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 7. Juni 1984 (1 K 2175/83) so entschieden. Selbst wenn auch ausgebildete Lehrer tätig seien, erfordere der Betrieb dies nicht; vielmehr könnte dieser Unterricht auch von Studenten und höherklassigen Mitschülern erbracht werden (Zitatende)
Quelle: Verwaltungsgericht Gelsenkirchen VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18. März 2011, Aktenzeichen: 7 K 1531/10

Neben dem Gewerberecht müssen Sie das Einkommensteuerrecht beachten: Unterricht ist demnach die planmäßige Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen in organisierter und institutionalisierter Form. Anders als im Gewerberecht kommt es auf den Gegenstand des Unterrichts nicht an. Der Unterrichtende braucht keine bestimmte Vorbildung oder etwa eine durch Prüfungen nachgewiesene Qualifikation zu besitzen. Der Unterricht kann auch - wie hier beim Nachhilfeunterricht - individuell erteilt werden. Die Wissensvermittlung muss aber auch dann abstrakt und nicht konkret auf akute Probleme des Unterrichteten hin erfolgen. Werden die Kenntnisse oder Erkenntnisse nicht aufgrund eines allgemeingültigen, im Einzelfall abwandlungsfähigen Lernprogramms vermittelt, sondern erfordert die Tätigkeit die Erarbeitung und Entwicklung eines auf die speziellen Bedürfnisse einer Person abgestellten Programms, handelt es sich nicht mehr um eine Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form, sondern um eine beratende Tätigkeit.

Viele Lehrende werden nach meiner Erfahrung von der Finanzverwaltung als freiberuflich geführt und dies wird von den Gewerbeämtern nicht hinterfragt. Sollte ein Gewerbeamt aufmerksam werden, ergeht zunächst die Aufforderung zur Gewerbeanmeldung, eine Geldbuße folgt erst bei Unterlassung. Mit dem Finanzamt hingegen müssen Sie Kontakt aufnehmen.

Kommen wir zur Schulform: Freie Unterrichtseinrichtungen sind "nicht schulmäßig organisierte Veranstaltungen in Form von Lehrgängen oder Kursen, in denen wenige Schüler in einem begrenzten kurzen Zeitraum in einzelnen Kenntnisgebieten unterrichtet oder in einzelnen Fertigkeiten unterwiesen werden: wie z.B. in Sprachlehrgängen, Computerkursen und Kursen in Betriebswirtschaftslehre (BWL-Seminare) oder manche Vorbereitungen auf schulische Abschlüsse."
Quelle: Schulamt Frankfurt
https://schulamt-frankfurt.hessen.de/irj/SSA_Frankfurt_am_Main_Internet?cid=07e17391bd0e64f9b58cb26cf7b91b8b
aufgerufen am 25.06.2015
Da Sie kein Bundesland angegeben haben, beachten Sie bitte die Zuständigkeit der Länder. Auf jeden Fall sollten vor bei der Erteilung von Nachhilfeunterricht bei der Baubehörde Ihrer Kommune nachfragen, welche Vorschriften hinsichtlich der Räumlichkeiten bestehen.

Die Genossenschaftsbanken bieten ein Muster-Gründungskonzept für Sprachschulen an: http://www.raibasbw.de/branchenbriefe/Sprachenschule.pdf
aufgerufen am 25.06.2015

Neben der öffentlichen Förderung von Kosten für die Gründung einer Privatschule gibt es Finanzierungsmöglichkeiten durch die Bundesagentur für Arbeit. Dort müssen Sie allerdings für die Förderung zugelassen sein! Informationen hierzu, über Bildungsgutscheine und andere Möglichkeiten finden Sie unter
http://www.kursnet.arbeitsagentur.de/kurs/bw_institutionen/institutionen.html
aufgerufen am 25.06.2015

Sprachunterricht für Migranten wird ebenfalls gefördert, etwa durch die berufsbezogene Deutschförderung des ESF-BAMF-Programms. Siehe hierzu http://www.bamf.de/DE/Infothek/ESFProgramm/esf-bamf-programm-node.html
aufgerufen am 25.06.2015

Die Förderdatenbank des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie weist ein Programm zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund durch Weiterbildung aus. Interessant ist hierbei, dass es sich um eine Zuschussförderung handelt.
http://www.foerderdatenbank.de/Foerder-DB/Navigation/Foerderrecherche/suche.html?get=views;document&doc=8607
aufgerufen am 25.06.2015

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Beachten sie bitte die Pflichtmitgliedschaft von Lehrenden in der gesetzlichen Rentenversicherung. Nähere Informationen finden Sie unter
http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Navigation/1_Lebenslagen/02_Start_ins_Berufsleben/03_Existenzgruender/01_Selbststaendig_und_pflichtversichert/selbststaendig_und_pflichtversichert_node.html
aufgerufen am 25.06.2015

Quelle: Dr. Willi Oberlander M.A.
Geschäftsführer
Institut für Freie Berufe an der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg e.V. (IFB)
Juni 2015

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