Navigation

Motivationstraining und Reitunterricht für Kinder: freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit?

Frage

Ich bin Studentin der Sozialen Arbeit und habe das Praxissemester bereits abgeschlossen. Ich möchte. Kindern anbieten, durch Tiere die Konzentration zu steigern, Ängste abzubauen, die intrinsische Motivation zu fördern. Die Tiere dienen zum einen als Brücke, um Zugang zu den Kindern zu bekommen und zum anderen ist es ein Ziel, zu reiten und später Reitunterricht zu bekommen. Mit dieser Aussicht steigt die Motivation. Ist dies freiberuflich möglich oder muss ich ein Gewerbe anmelden? Mein „Verdienst“ wird höchstens ca. 800 Euro betragen, sind hier dann steuerlich überhaupt Unterschiede zwischen Gewerbe oder Freiberufler? Und ist mit diesem Verdienst ein Gewerbe überhaupt möglich?

Antwort

Zur freiberuflichen Tätigkeit gehört auch die selbstständig ausgeübte „unterrichtende“ Tätigkeit, wobei als „unterrichtend“ jede Art der persönlichen Lehrtätigkeit, insbesondere auch der Unterricht im Tanzen, Schwimmen, Reiten usw. gehört (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 18. Februar 1920 II A 59/20, RStBl. 1920, 244; BFH-Urteil vom 27.September 1956 IV 601/55 U, BFHE 63,357, BStBl. III 1956, 334). Beschränkt sich die Tätigkeit allerdings nicht auf das Vermitteln von Fertigkeiten, sondern werden im Zusammenhang mit der Unterrichtstätigkeit auch noch andere Leistungen geboten, so kann je nach Art und Umfang dieser anderen Leistungen insgesamt eine gewerbliche Betätigung vorliegen. Das gilt bei der Erteilung von Reitunterricht vor allem für die Fälle, in denen neben der Unterrichtserteilung auch noch Reitanlagen zur Verfügung gestellt sowie Clubräume und dergleichen bereitgestellt werden.
BFH IV R 191/74, 1978

„Unterricht ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen durch Lehrer an Schüler in organisierter und institutionalisierter Form“(vgl. BFH-Urteile vom 13.Januar 1994 IV R 79/92, BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362, und vom 18. April 1996 IV R 35/95, BFHE 180, 568, BStBl II 1996, 573). Die organisierte und institutionalisierte Form des Unterrichts setzt u. a. ein auf ein bestimmtes Fachgebiet bezogenes schulmäßiges Programm zur Vermittlung von Kenntnissen an den/die Lernwilligen voraus. Dies schließt einen Individualunterricht zwar nicht aus, wie sich auch aus den Urteilen des IV. Senats zum Fitness- und Bodybuilding-Studio ergibt (vgl. Urteile in BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362, und in BFHE 180, 568, BStBl II 1996, 573). In diesen Fällen wird bei der Durchführung eines nach Lehrziel und Lehrmethode feststehenden Programms - Training des Körpers unter Zuhilfenahme von Geräten - der Unterricht auf die besonderen Bedürfnisse des einzelnen abgestellt. Lassen sich jedoch Kenntnisse nicht aufgrund eines für das bestimmte Fachgebiet allgemeingültigen, im Einzelfall abwandlungsfähigen Lehrprogramms vermitteln, sondern erfordert die Tätigkeit die Erarbeitung und Entwicklung eines auf die speziellen Bedürfnisse einer Person abgestellten, nicht auf einen Fachbereich beschränkten Programms, so stellt dies keine Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form mehr dar. Es handelt sich hierbei um eine beratende Tätigkeit.

Eine wissenschaftliche Fachausbildung oder ein formaler Befähigungsnachweis ist für eine unterrichtende Tätigkeit im Allgemeinen nicht erforderlich. Entscheidend ist, dass der Unterrichtende die sein Unterrichtsgebiet betreffenden Kenntnisse und Fertigkeiten besitzt, sowie die Fähigkeit, diese den Schülern zu vermitteln (BFH IV R 130/79 v. 1. 4. 1982, BStBl. II 82, 589 = BFHE 136, 86).

Eine steuerliche Freiberuflichkeit von Sozialarbeitern/Sozialpädagogen ist dann gegeben, wenn diese Tätigkeiten ausüben, die zum Berufsbild der Psychologen zählen. Die Psychologen sind im Gesetz als so genannter „Katalogberuf“ benannt. Wer einem dieser Katalogberufe ähnlich sein will, muss eine vergleichbare Ausbildung und eine entsprechende Tätigkeit vorweisen. Hierzu kann auf die gängige Praxis in den Finanzverwaltungen verwiesen werden.

Ergebnis:

  1. Reitunterricht ist unter den genannten Voraussetzungen freiberuflich (im Steuerdeutsch: „selbstständig“). Dies kann auf andere Tiere erweitert werden, wenn diese zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden.
  2. Dies kann auch für Einzelunterricht (-therapie) gelten.
  3. Eine abgeschlossene wissenschaftliche Ausbildung benötigen Sie nicht. Als Studentin der sozialen Arbeit auf der Zielgeraden kann von ausreichender Qualifikation ausgegangen werden.
  4. Ihre Tätigkeit kann auch als psychologenähnlich eingestuft werden. Dadurch wird die steuerliche Freiberuflichkeit untermauert.
  5. Grundsätzlich besteht eine Steuerpflicht unabhängig von Freiberuflichkeit oder Gewerbe. Bei der Höhe der genannten Einkünfte müssten Sie auch keine Gewerbesteuer zahlen.
  6. Sie sollten Ihrem Finanzamt eine freiberufliche = selbstständige Tätigkeit anzeigen unter der Bezeichnung „tiergestützter Unterricht/Therapie“.

Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
März 2017

Tipps der Redaktion:

Hotline 030-340 60 65 60 Für allgemeine Fragen
Montag bis Donnerstag: 8:00 - 18:00 Uhr
Freitag: 8:00 - 12:00 Uhr
nach oben