Antwort
Sie gehen richtig davon aus, dass bei Ihnen im Sinne des Einkommensteuergesetzes eine unterrichtende Tätigkeit nicht vorliegt, weil etwa das Kriterium der persönlichen Dienstleistung nicht erfüllt ist. Zur Frage der schriftstellerischen Tätigkeit ist hier festzustellen: (Zitat) „Die selbständige Tätigkeit eines Steuerpflichtigen, der eigene Gedanken in der Form eines Softwarelernprogramms für PC verfaßt, ist eine schriftstellerische Tätigkeit, wenn das Lernprogramm für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Programm einem aus der Sicht des Verfassers zahlenmäßig nicht bestimmbaren Personenkreis verfügbar gemacht werden soll.“ (Zitatende)
Zur Frage der Öffentlichkeit wird weiter festgestellt: (Zitat) „Unerheblich dabei ist, ob der Personenkreis tatsächlich etwa nur auf ein begrenztes, fachliches Publikum beschränkt ist (BFH-Urteil vom 19. Mai 1993 I R 80/92, BFHE 171, 297, BStBl II 1993, 655, m.w.N.).“ (Zitatende) Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.09.98 (IV R 16/97)
Aus dieser Sicht könnte für Ihr Unternehmen eine freiberufliche Tätigkeit bejaht werden. Die Gebrauchsüberlassung von Lernvideos, Aufgaben und deren Lösungen im Wege des Online-Zugriffs gegen Bezahlung jedoch zeigt eine deutliche Tendenz zum Gewerbe. Dies ist der Fall, wenn die „zu diesem Zweck geschaffene organisatorische Einrichtung“ über die schriftstellerische Tätigkeit hinaus geht und „eine neue Erwerbsgrundlage darstellt“, wie der Bundesfinanzhof (BFH) am 11.5.1976 feststellte (Aktenzeichen VIII R 111/71). „Die bloße Verwertung eigener schriftstellerischer Erzeugnisse im Rahmen des Üblichen”, so heißt es in diesem Urteil, „ist . . . in der Regel der freiberuflichen Tätigkeit zuzuordnen”. Weiter steht in dem zitierten Urteil, dass Schriftsteller ihre Werke selbst verlegen dürfen und dabei den Status von Freiberuflern erhalten können, solange Selbstverlag und Eigenvertrieb sich auf eine „der schriftstellerischen Tätigkeit dienende Funktion” beschränken und keine „neue Erwerbsgrundlage darstellen”. Erst wenn die „zu diesem Zweck geschaffene organisatorische Einrichtung“ darüber hinaus geht, werden Autoren zu Gewerbetreibenden.
In diesem Zusammenhang wurde auch von „gewerblichem Massenvertrieb“ gesprochen. Hier kommt also die Zahl der verkauften Werke als entscheidendes Kriterium hinzu. Allerdings gibt es dafür keine festgeschriebenen Grenzen. Die Stiftung Warentest nennt als typische Indizien für gewerblichen Verkauf regelmäßigen Handel, hohe Umsätze, häufige Verkäufe von gleichartigen Produkten oder Neuware. Außerdem werde in der Finanzverwaltung eine Faustformel von mehr als 40 Verkäufen innerhalb „weniger Monate“ in Ansatz gebracht. Unterhalb und außerhalb dieser Vorgaben könnte auch der Verkauf im Internet noch der schriftstellerischen Tätigkeit zugeordnet werden. Die Lösung kann im Zweifelsfall in einer offenen Kommunikation mit dem Finanzamt liegen. Das Finanzamt hat auch eine beratende Aufgabe.
Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte in einem Urteil vom 04.12.2008 (Az. I ZR 3/06) fest: „Ob ein Anbieter von Waren auf einer Internetplattform im geschäftlichen Verkehr oder im privaten Bereich handelt, ist auf Grund einer Gesamtschau der relevanten Umstände zu beurteilen. Dazu können wiederholte, gleichartige Angebote gegebenenfalls auch von neuen Gegenständen, Angebote erst kurz zuvor erworbener Waren, eine ansonsten gewerbliche Tätigkeit des Anbieters, häufige sog. Feedbacks und Verkaufsaktivitäten für Dritte rechnen.“
Verkaufen Sie eigene schriftstellerische Werke über Dritte, und erhalten Sie von diesen Unternehmen einen Anteil an den Einnahmen, so handelt es sich für Sie um Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit. Sie hätten die Möglichkeit, Ihre schriftstellerische Dienstleistung und den Vertrieb in zwei getrennte Unternehmen aufzuteilen und Leistungen und Rechnungen auszutauschen. Für eine derartige Konstruktion empfehle ich dringend fachlichen Rat durch einen Steuerberater (Vermeidung von Scheinrechnungen u.a.).
Es wäre auch eine journalistische oder eine wissenschaftliche Tätigkeit denkbar. Dies ändert jedoch an den Feststellungen zum Gewerbe nichts.
Nach vorliegenden Erfahrungen kommt es oft vor, dass Gründer im Bereich Kultur dem Finanzamt einen freien Beruf anzeigen und dabei von einer Freistellung vom Gewerbe ausgehen. Oft werden auch Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung akzeptiert. Betroffene Personen gehen dann ebenso häufig wie fälschlich von einer Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) beim Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit hohen Anforderungen und Kosten verbunden.
Quelle: Dr. Willi Oberlander M.A.
Unternehmensberatung
August 2017
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