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Kultur- und Bildungszentrum betreiben: freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit?

Frage

Nach langer Auslandstätigkeit kehre ich nach Deutschland zurück. Ich bin Dipl-Ing. Bekleidungskonfektion und habe eine Zusatzqualifikation als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache (DaF). Jetzt möchte ich ein Kultur- und Bildungszentrum gründen, dort Seminare und Workshops anbieten, die Frauen unterstützen: Handarbeiten, Lesezirkel, Kreatives Schreiben, Biografiearbeit u.a. Ich absolviere z.Z. in Deutschland eine Ausbildung zur Systemischen Beraterin und in London als Embodiment Facilitator. Kann ich freiberuflich oder gewerblich gründen? Welche Erfahrungen und Weiterbildungen werden anerkannt? Gilt meine Weiterbildung als „Vorbereitung auf einen neuen Arbeitsplatz“, ist sie förderfähig (über 50, kein ALG II).

Antwort

Die Gründung eines Kultur- und Bildungszentrums, in dem ausschließlich Seminare und Workshops angeboten werden, kann als freiberuflich im einkommensteuerlichen Sinne einzustufen sein, wenn es sich um eine sog. „unterrichtende Tätigkeit“ im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG handelt.

„Unterricht im Sinne des Einkommensteuergesetzes ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen in organisierter und institutionalisierter Form“ (vgl. BFH-Urteile vom 13.01.1994 IV R 79/92, BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362, und vom 18.04.1996 IV R 35/95, BFHE 180, 568, BStBl. 1996, 573). Die organisierte und institutionalisierte Form des Unterrichts erfordert u.a. ein auf ein bestimmtes Fachgebiet bezogenes schulmäßiges Programm zur Vermittlung von Kenntnissen. Der Unterricht kann hierbei auch individuell in Form von Einzelunterricht erteilt werden (vgl. Urteile in BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362, und in BFHE 180, 568, BStBl II 1996, 573). Für die unterrichtende Tätigkeit ist eine wissenschaftliche Fachausbildung oder ein formaler Befähigungsnachweis im Allgemeinen nicht erforderlich. Entscheidend ist, dass der Lehrende die betreffenden Kenntnisse und Fertigkeiten beherrscht und vermitteln kann.

Sollten Sie Mitarbeiter/innen beschäftigen, ist es wichtig, dass Sie einen nicht unerheblichen Teil des gesamten Unterrichts selbst bestreiten und Sie die Tätigkeit der Mitarbeiter/innen in gewissem Umfang kontrollieren und beeinflussen. Ansonsten kann es an dem für die Freiberuflichkeit charakteristischen Merkmal der Eigenverantwortlichkeit mangeln, sodass ggfs. ein Gewerbe angemeldet werden muss (vgl. zur Sportschule BFH IV R 130/79 v. 1.4.1982, BStBl II 82, 589).

Eine freiberufliche Tätigkeit hat im Besonderen den Vorteil, dass diese Einnahmen nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Dies ist bei der Gründung eines freiberuflichen Einzelunternehmens grundsätzlich der Fall. Etwas anderes gilt jedoch, wenn Sie sich zwecks Haftungsbeschränkung in Form einer Kapitalgesellschaft, z.B. in Form einer GmbH organisieren. Die Kapitalgesellschaft selbst unterliegt der Gewerbe- und Körperschaftssteuer, sodass allein durch die Rechtsformwahl zusätzliche Steuerpflichten entstehen können. Es ist daher wichtig, sich im Vorfeld über die geeignete Rechtsform zu informieren. Informationen zu den Rechtsformen finden Sie in den BMWi GründerZeiten Nr. 11: Rechtsformen (PDF, 1.006  KB).

Nicht zu unterschätzen ist auch die richtige Unternehmensbezeichnung. Die von Ihnen gewählte Bezeichnung „Zentrum“ ist schwierig und sollte ggfs. vermieden werden. Denn mit seinem Urteil vom 18.01.2012, Az.: I ZR 104/10, hat der BGH bereits entschieden, dass die Bezeichnung „Zentrum“ „im Grundsatz als Charakterisierung für ein Unternehmen nach Bedeutung und Größe verstanden wird oder jedenfalls vom Verkehr auf einen entsprechenden Tatsachenkern zurückgeführt wird, wobei allerdings auf die jeweiligen Einzelfallumstände abzustellen ist.“ Mit dem Begriff „Zentrum“ kann im Einzelfall also der - falsche - Eindruck erweckt werden, dass es sich um ein Unternehmen mit besonderer Bedeutung und Kompetenz handelt, sodass ein Nichterfüllen dieser Anforderungen irreführend und damit wettbewerbswidrig sein kann.

Die verschiedenen Fördermöglichkeiten finden Sie auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (www.foerderdatenbank.de). Zudem bietet die Bundesagentur für Arbeit die Möglichkeit an, sich als Träger für geförderte Maßnahmen zertifizieren zu lassen. Die Zertifizierung ist kostenpflichtig und von der Erfüllung formeller Voraussetzungen abhängig. Informationen hierzu finden Sie unter www.arbeitsagentur.de

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag und alles Gute!

Quelle: Chanell Eidmüller
Rechtsanwältin
Leiterin der Gründungsberatung
Institut für Freie Berufe an der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg e.V. (IFB)
März 2016

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