Navigation

Konzeption und Erstellung von Online-Kursen: freiberufliche Tätigkeit?

Frage

Ich werde demnächst neben einer sozialversicherungspflichtigen Teilzeittätigkeit im Angestelltenverhältnis als Freiberufler tätig sein. Ich habe einen Master in Psychologie. Die Tätigkeit würde in der wissenschaftsbasierten Konzeption/Erstellung von Online-Kursen im Bereich der Paarberatung/-coaching bestehen (nicht individuell, da Kurse). Wäre dies im Sinne der Gesetze eine freiberufliche Tätigkeit? Und wäre ich bei voraussichtlichen Einnahmen von 1.000 - 3.000 Euro/Jahr umsatzsteuerbefreit? Müsste ich noch irgendetwas von Seiten der Behörden (etwa Finanzamt) beachten?

Antwort

Der Weg in den freien Beruf steht Ihnen über die schriftstellerische Tätigkeit offen. Hierzu stellt der Bundesfinanzhof (BFH) fest: Eine schriftstellerische Tätigkeit erbringt derjenige, der eigene Gedanken mit den Mitteln der Sprache schriftlich für die Öffentlichkeit niederlegt. Die selbstständige Tätigkeit eines Steuerpflichtigen, der eigene Gedanken in der Form eines Software-Lernprogramms für PC verfasst, ist eine schriftstellerische Tätigkeit, wenn das Lernprogramm für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Programm einem aus der Sicht des Verfassers zahlenmäßig nicht bestimmbaren Personenkreis verfügbar gemacht werden soll (BFH Urteil vom 10.9.1998, IV R 16/97, BStBl II 1999, 215). Im Gegensatz zur künstlerischen Tätigkeit kommt es auf eine bestimmte Qualität der Internet-Dienste nicht an, Sie müssen also weder wissenschaftlichen noch von künstlerischen Anforderungen genügen. Da Sie Online-Kurse entwickeln, wäre die schriftstellerische Tätigkeit für Sie wohl der beste Weg in den freien Beruf.

Unterrichtende Tätigkeit
Wenn Sie diese Kurse im Internet selbst fachlich begleiten, käme eine unterrichtende Tätigkeit in Betracht. Lesen Sie hierzu ausführlich die PRAXISHILFE: Lehrende, Trainer und Coaches – freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit? (PDF, 101  KB). Stichwort „persönliche Beziehung zum Schüler“: Da die Freiberuflichkeit im Besonderen dadurch charakterisiert ist, dass die Leistung persönlich und eigenverantwortlich erbracht wird, ist es zwingend erforderlich, dass im Rahmen von Online-Diensten ein deutlich interaktiver Austausch in individueller und spezifischer Form vorliegt.

Eigener Online-Vertrieb Ihrer Kurse
Die Gebrauchsüberlassung von Lernsoftware im Wege des Online-Zugriffs gegen Bezahlung zeigt eine deutliche Tendenz zum Gewerbe. Dies ist der Fall, wenn die „zu diesem Zweck geschaffene organisatorische Einrichtung“ über die schriftstellerische Tätigkeit hinausgeht und „eine neue Erwerbsgrundlage darstellt“, wie der Bundesfinanzhof (BFH) am 11.5.1976 feststellte (Aktenzeichen VIII R 111/71). „Die bloße Verwertung eigener schriftstellerischer Erzeugnisse im Rahmen des Üblichen”, so heißt es in diesem Urteil, „ist . . . in der Regel der freiberuflichen Tätigkeit zuzuordnen”. Weiter steht in dem zitierten Urteil, dass Schriftsteller ihre Werke selbst verlegen dürfen und dabei den Status von Freiberuflern erhalten können, solange Selbstverlag und Eigenvertrieb sich auf eine „der schriftstellerischen Tätigkeit dienende Funktion” beschränken und keine „neue Erwerbsgrundlage darstellen”. Erst wenn die „zu diesem Zweck geschaffene organisatorische Einrichtung“ darüber hinaus geht, werden Autoren zu Gewerbetreibenden. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte in einem Urteil vom 04.12.2008 (Az. I ZR 3/06) fest: „Ob ein Anbieter von Waren auf einer Internetplattform im geschäftlichen Verkehr oder im privaten Bereich handelt, ist auf Grund einer Gesamtschau der relevanten Umstände zu beurteilen. Dazu können wiederholte, gleichartige Angebote gegebenenfalls auch von neuen Gegenständen, Angebote erst kurz zuvor erworbener Waren, eine ansonsten gewerbliche Tätigkeit des Anbieters, häufige sog. Feedbacks und Verkaufsaktivitäten für Dritte rechnen.“

In diesem Zusammenhang wurde auch von „gewerblichem Massenvertrieb“ gesprochen. Hier kommt also die Zahl der verkauften Werke als entscheidendes Kriterium hinzu. Allerdings gibt es dafür keine festgeschriebenen Grenzen. Die Stiftung Warentest nennt als typische Indizien für gewerblichen Verkauf regelmäßigen Handel, hohe Umsätze, häufige Verkäufe von gleichartigen Produkten oder Neuware. Außerdem werde in der Finanzverwaltung eine Faustformel von mehr als 40 Verkäufen innerhalb „weniger Monate“ in Ansatz gebracht. Unterhalb und außerhalb dieser Vorgaben könnte auch der Verkauf im Internet noch der schriftstellerischen Tätigkeit zugeordnet werden. Die Lösung kann im Zweifelsfall in einer offenen Kommunikation mit dem Finanzamt liegen. Das Finanzamt hat auch eine beratende Aufgabe.

Nach vorliegenden Erfahrungen kommt es oft vor, dass Gründer dem Finanzamt einen freien Beruf anzeigen und dabei von einer Freistellung vom Gewerbe ausgehen. Oft werden auch Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung akzeptiert. Betroffene Personen gehen dann ebenso häufig wie fälschlich von einer Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) beim Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit hohen Anforderungen und Kosten verbunden.

Sollten Sie einen eigenen Vertrieb Ihrer Kurse im Internet in Erwägung ziehen, so wären Sie künftig möglicherweise sowohl freiberuflich als auch gewerblich tätig. Sehen Sie hierzu die Rubrik „Gemischte Tätigkeiten - gewerblich und freiberuflich“.

Umsatzsteuer
Schriftsteller, deren Umsätze aus Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten aus dem Urheberrechtsgesetz erzielen, können einen ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7% in Anspruch nehmen. Dies gilt, soweit sie einem Dritten Nutzungsrechte an urheberrechtlich geschützten Werken einräumen (etwa Bücher, aber auch Online-Kurse usw.). Die folgt aus § 12 Abs. 2 Nr. 7 c UStG. Beachten Sie bitte unbedingt auch die Rubrik „Kleinunternehmerregelung“.

Bei der Anwendung dieser Regelung wäre der Steuersatz Nebensache, weil Sie schlichtweg keine erheben. Beachten Sie, dass für schriftstellerische Nebentätigkeiten die Möglichkeit des Abzuges pauschaler Betriebsausgaben besteht (die tatsächlichen Betriebsausgaben müssen also nicht nachgewiesen werden).

Weitere wichtige Informationen zu Ihrer selbstständigen Nebentätigkeit finden Sie in der Rubrik „Teilzeit- und Kleinstgründungen“.

Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
November 2018

Hotline 030-340 60 65 60 Für allgemeine Fragen
Montag bis Donnerstag: 8:00 - 18:00 Uhr
Freitag: 8:00 - 12:00 Uhr
nach oben