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Dozent und Coach: freiberufliche Tätigkeiten?

Frage

Ich war fünf Jahre lang ohne Geld zu Fuß in der Welt unterwegs. Mein Wissen und meine Erfahrungen möchte ich nun sowohl auf Foto-Reisevorträgen/Shows, in Seminaren und Workshops, als Coach auf mehrtägigen bis wochenlangen Exkursionen und als Schriftsteller weitergeben. Dabei möchte ich erwähnen, dass meine Tätigkeit bei den Exkursionen darauf beschränkt ist, andere Menschen auf ihrer Reise zu begleiten. Das heißt, ich plane und organisiere die Reise nicht, sondern begleite andere Reisende lediglich und gebe als Coach mein Wissen weiter. Nun die Frage: Liegt eine freiberufliche Tätigkeit (auch die Durchführung von Reisevorträgen) vor oder muss es als Gewerbe angesehen werden?

Antwort

Sie haben eine Reihe von Dienstleistungen benannt. Dies erfordert eine ausführliche Beantwortung. Ihre Anfrage ist auf der Grundlage der Rechtsprechung wie folgt zu beantworten:

Beginnen wir mit dem Reiseleiter. Die Rechtsprechung hierzu ist nicht eindeutig. So hat das Finanzgericht Nürnberg mit Urteil vom 24. Mai 1962 (EFB 1963, 63) die selbstständig ausgeübte Tätigkeit eines Reiseleiters als Gewerbebetrieb angesehen. Der Bundesfinanzhof hat einen Fremdenführer ebenfalls als gewerblich eingestuft (BFH-Urteil vom 9.7.1986, I R 85/83, BStBl. 1986 II S. 851). Zu einem anderen Schluss kam das Finanzgericht Hamburg (29.6.2005, II 402/03). Das Finanzgericht Berlin stellte zur Informationsfahrtbegleitung fest, dass es sich unter bestimmten Voraussetzungen um eine unterrichtende Tätigkeit handeln kann: (Zitat) „Als Unterricht wird demgegenüber planmäßiges und regelmäßiges Lehren (...) oder die systematische Vermittlung von Bildungsgut im Rahmen der Erziehung (...) verstanden. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß dem vermittelten Wissen eine über den aktuellen Bezug hinausreichende Bedeutung zukommt und - was regelmäßig damit in Zusammenhang steht - eine gewisse Verarbeitung des Informationsstoffes erforderlich ist. (...) Von Unterricht kann deshalb nur gesprochen werden, wenn der zu vermittelnde Stoff sowohl dem Inhalt als auch dem Umfang nach eine solche Informationsverarbeitung erfordert. Die Vermittlung von Wissen über die politische und wirtschaftliche Lage einer Weltstadt, ihre Ver- und Entsorgung, die Verkehrssituation, Bevölkerungsstruktur, Stadtplanung usw. betrifft den Stoff, der dem Inhalt und dem Umfang nach diese Voraussetzung für den Begriff des Unterrichts erfüllt.“ (Zitatende)
Quelle: Finanzgericht Berlin, V. Senat, 29. Juli 1976, Aktenzeichen V 38 u. 39/76

Wenn die Tätigkeit also in der Erschließung und Vermittlung von Wissen besteht, kann sie freiberuflich sein. Die unterrichtende Dienstleistung muss dabei eindeutig den Schwerpunkt bilden. Ob eine solche Tätigkeit freiberuflich ist, kann in der Regel nur über Einzelfallentscheidung bestimmt werden.

Zu dieser Art der Beschreibung kommt allerdings noch die Anforderung an den Fremdenführer, der nachweislich in der Lage sein sollte, ausreichendes Wissen verfügbar zu machen. Die Anforderung erforderlicher Kenntnisse ist nicht zwingend mit einem Hochschulstudium oder einer anderen abgeschlossenen Ausbildung verbunden. Kommen Qualifikation und entsprechende Tätigkeit zusammen, haben wir einen freien Beruf im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Dann wäre allerdings noch zu prüfen, ob das Gewerberecht ebenfalls zu diesem Ergebnis kommt (das ist leider so kompliziert).

Nach dem Gewerberecht jedoch liegt Unterricht als „Dienstleistung höherer Art“ nur dann vor, wenn für die Ausübung der Tätigkeit ein Hochschulstudium erforderlich ist. Bei unterrichtenden Tätigkeiten muss es sich um Schulunterricht handeln. Nachhilfe- und Musikunterricht werden dabei als Schulunterricht angesehen. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass zahlreiche Lehrende in unterschiedlichsten Fächern fälschlicherweise von freiberuflichen Tätigkeiten ausgehen, weil ihnen der gewerberechtliche Aspekt nicht bekannt ist. Betroffene Personen vermuten dann nach Anzeige eines freien Berufes beim Finanzamt ebenso häufig wie fälschlich eine Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) bei Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit hohen Anforderungen und Kosten verbunden.

Journalist im Sinne des Einkommensteuergesetzes ist, wer sich mit der Sammlung und Verarbeitung von Informationen über vorwiegend gegenwartsbezogene Geschehnisse sowie der kritischen Auseinandersetzung hiermit befasst. Hierzu gehören vor allem Stellungnahmen zu Ereignissen auf politischem, gesellschaftlichem, wirtschaftlichem oder kulturellem Gebiet. Charakteristisch ist hierbei die Präsentation der Arbeitsergebnisse durch die Medien, insbesondere auch in mündlicher Form, an die Öffentlichkeit ohne eingeschränkten Zugang. Es reicht aus, wenn der Personenkreis tatsächlich nur auf ein begrenztes, fachliches Publikum beschränkt ist.

Hier kommt noch der Bildberichterstatter ins Spiel. Dieser Beruf ist nach dem Verständnis des Einkommensteuerrechtes dadurch gekennzeichnet, dass er Informationen durch bildliche Darstellungen ersetzt, sie ergänzt oder vertieft. Die Schnittmengen zwischen Journalist und Bildberichterstatter sind naturgemäß oft groß. Die Bildberichterstattung ist eine journalistische Tätigkeit, die in besonderer Weise das Bild und seinen Nachrichtenwert berücksichtigt.

Schriftstellerisch ist tätig, wer eigene Gedanken mit den Mitteln der Sprache schriftlich für die Öffentlichkeit niederlegt. Hierzu zählen auch Inhalte, die lediglich Vorgänge beschreiben, also nicht besonderen künstlerischen Anspruch erheben. Die Schriftform schließt eine Vortragstätigkeit aus. Lediglich die Lesung von Autoren aus eigenen Werken wird noch der schriftstellerischen Tätigkeit zugeordnet und damit der freiberuflichen Ausprägung dieses Berufes.

Können Sie den Status des Journalisten und/oder Bildberichterstatters beanspruchen, so wäre das ein Weg in den freien Beruf. Eine schriftstellerische Tätigkeit liegt nur bei schriftlich niedergelegten Texten vor.

Sie nennen auch Coaching als mögliche Dienstleistung: Da Coaching nicht auf eine abstrakte Vermittlung theoretischen oder praktischen Wissens beschränkt ist, sondern in der Regel aus intensiver persönlicher Begleitung und Beratung im mentalen Bereich besteht, liegt hier keine unterrichtende Tätigkeit vor (siehe oben). Damit wäre Ihr Coaching nicht freiberuflich.

Sie bieten also wohl gewerbliche und freiberufliche Dienstleistungen an. Möglicherweise liegt bei Ihnen damit eine „trennbar gemischte Tätigkeit“ vor. Hierbei übt ein Einzelfreiberufler sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, wobei diese steuerlich getrennt zu behandeln sind. Dies ist aber nur der Fall, wenn zwischen den beiden Bereichen kein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Für eine getrennte Behandlung sind getrennte Rechnungsstellung und Buchführung erforderlich sowie separate Bank- und Kassenkonten. Betriebsausgaben sind durch Schätzung aufzuteilen. Wenn Ihre gewerblichen und freiberuflichen Tätigkeiten also getrennt in Rechnung gestellt und verbucht werden können, haben Sie auch getrennte Erfassungen bei der Steuer. Das können Sie unter einer Steuernummer machen. Sie benötigen in Ihrer Einkommensteuererklärung lediglich zwei getrennte Formulare, für selbstständige (= hier freiberufliche) und gewerbliche Tätigkeiten. Im Zweifelsfall sprechen Sie mit Ihrem Finanzamt, das auch eine beratende Funktion hat.

Gerne hätte ich Ihre Anfrage einfacher beantwortet, aber die Sachlage steht dem entgegen.

Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
April 2018

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