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Verhaltensberatungspraxis für Tiere: nachträgliche Einstufung als gewerbliche Tätigkeit?

Frage

Ich betreibe eine Verhaltensberatungspraxis für Tiere. Auch behandle ich diese naturheilkundlich. Als ich damals ein Gewerbe anmelden wollte, hieß es beim Gewerbeamt sie seien nicht zuständig - es wäre freiberuflich. Nun hat mich das Finanzamt nach zwei Jahren gewerblich eingestuft. Niemand kann mir sagen, was richtig ist. 80% meiner Kunden kommen mit Verhaltensproblemen zu mir. Ab und an gebe ich kleinere Seminare oder bilde Tiere als tierische Therapeuten aus. Naturheilkundliche Behandlungen sind eher selten. Wie verhalte ich mich richtig?

Antwort

Für Ihre Dienstleistungen sind grundsätzlich folgende Zugänge zum freien Beruf denkbar: ein Heilberuf, die unterrichtende und/oder die erzieherische Tätigkeit.

Zum Heilberuf: In Gesetzen (Einkommensteuergesetz und Partnerschaftsgesellschaftsgesetz) nicht genannte Heilberufe können als freiberuflich eingestuft werden, wenn eine mehrjährige theoretische und praktische Ausbildung auf Grund eines bundeseinheitlichen Berufsgesetzes absolviert wird. Darüber hinaus müssen vergleichbare berufsrechtliche Regelungen über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung der Berufsausübung vorliegen. Dieser Zugang scheidet also für Sie aus.

Unterrichtende Tätigkeit im freien Beruf: Unterricht ist hier die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen in organisierter und institutionalisierter Form. Dies schließt einen Individualunterricht nicht aus. Werden die Kenntnisse aber nicht auf der Grundlage eines allgemein gültigen, im Einzelfall abwandlungsfähigen Lernprogramms vermittelt, sondern erfordert die Tätigkeit die Erarbeitung und Entwicklung eines auf die speziellen Bedürfnisse einer Person abgestellten Programms, handelt es sich nicht mehr um eine Lehrtätigkeit, sondern um eine beratende Dienstleistung. Da nach dem Gewerberecht eine unterrichtende Tätigkeit (hier auch von Tierhaltern) als „Dienstleistung höherer Art“ nur bei einschlägiger Hochschulausbildung vorliegen kann, müssen Sie auch hier wohl von gewerblicher Tätigkeit ausgehen.

Erzieherische Tätigkeit: Erziehung bedeutet nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die planmäßige Arbeit zur körperlichen, geistigen und sittlichen Formung junger Menschen zu tüchtigen und mündigen Menschen; dabei wird unter Mündigkeit die Fähigkeit verstanden, selbstständig und verantwortlich die Aufgaben des Lebens zu bewältigen. Dies gilt also nur für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen zur Formung der gesamten Persönlichkeit. Diesem Anspruch dürften Ausbilder von jungen Tierhaltern nur bedingt genügen!

Nähere Informationen zum Unterricht und zur Erziehung im freien Beruf bietet das BMWi mit der PRAXISHILFE: Lehrende, Trainer und Coaches – freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit?

Zur Ausbildung von tierischen Therapeuten: Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs erzielt ein Betreiber einer Blindenführhundeschule Einkünfte aus Gewerbebetrieb (BFH vom 09.05.2017 (VIII R 11/15, BStBl. II 2017, 911). Dieses Urteil wird allerdings auch dahingehend kommentiert, dass in solchen Tierschulen die Halter einbezogen sind, also mitunterrichtet werden. Hier liegt die Entscheidung bei der Finanzverwaltung, im Rahmen einer Einzelfallabwägung. Einer Einstufung als gewerblich ist allerdings nur schwer zu entgehen.

Ansonsten sollten Sie schlichtweg mit Ihrem Finanzamt sprechen. Die Finanzverwaltung hat auch eine beratende Funktion. Sollten Sie sich auf eine gewerbliche Betätigung verständigen, so hilft Ihnen ein Hinweis auf die Gewerbesteuer: Als Einzelunternehmerin wird Ihnen bei der Gewerbesteuer ein jährlicher Freibetrag von 24.500 Euro auf den Gewinn gewährt. Unterhalb dieser Grenze ist der Unterschied zwischen freiem Beruf und Gewerbe für Sie von geringer Bedeutung.

Nach vorliegenden Erfahrungen kommt es häufig vor, dass selbstständige Dienstleister dem Finanzamt einen freien Beruf anzeigen und dabei von einer Freistellung vom Gewerbe ausgehen. Oft werden Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung akzeptiert. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) beim Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, solange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit hohen Anforderungen und mit Kosten verbunden.

Anmerkung: Tierpsychologie ist eine Disziplin der Biologie (auch Zoologie). Eine selbstständig tätige Biologin etwa mit Hochschulausbildung könnte folglich als freiberuflich angesehen werden.

Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
Juli 2019

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