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Künstler & Game Designer: Gewerbe oder Freier Beruf?

Frage

Wir sind Künstler & Game Designer (über die KSK versichert) und entwickeln zurzeit ein Computerspiel. Dies wird größtenteils über Crowdfunding finanziert. Wir haben keinen Auftraggeber und alle Mittel und Leistungen erschaffen wir selbst (eigene Game Engine, eigene Concept Art usw.). Durch und neben dem Crowdfunding verkaufen wir unser Spiel bzw. liefern eine Gegenleistung. Unter welchen Bereich fallen wir - freier Beruf oder Gewerbe? Wer entscheidet darüber? Müssen Nachweise erbracht werden und welche wären das?

In der Existenzgründerbroschüre ihrer Seite steht, dass die Entwicklung von Computerspielen "in der Regel - zu den Gewerbetreibenden" gezählt wird. Fallen wir unter diese Regel? Designer werden unter den freien Berufen aufgelistet, soweit sie künstlerisch tätig sind. Somit auch Game Designer, die über die KSK versichert sind?

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir weiterhelfen könnten. noch zwei wichtige Informationen zu meiner vorigen Frage. Wir sind eine zwei Personen-GbR. Bei der Anmeldung für die GbR waren wir noch nicht über die KSK versichert, daher meldeten wir ein Gewerbe an. Eine erfahrene Künstlerin hat uns nun darauf aufmerksam gemacht, dass dies vermutlich sehr wahrscheinlich ein Irrtum ist.

Antwort

Die ältere Rechtsprechung betrachtete Software-Entwicklung als gewerblich, "vor allem, wenn die Software auch vermarktet wird." (BayObLG, BB 2002, 853, 854). In der Urteilsbegründung hieß es, dass die Entwicklung zumindest bestimmter Computerprogramme als hochwertige geistige Leistung angesehen werden könne. Auf der anderen Seite würden viele Programme den Leistungsanforderungen nicht gerecht. Dazu komme, dass es in vielen Fällen eben gar nicht so sehr um höchstpersönlich zu erbringende Leistungen gehe, sondern um eine sachbezogene Leistung des "Software-Hauses"; die Entwicklung habe inzwischen durchaus industrielle Ausmaße erreicht. Außerdem könne die Leistungsverwertung hier nicht außer Betracht bleiben. Gerade sie spiele bei Computerprogrammen eine entscheidende Rolle. Nur bei entsprechender Vermarktung ließen sich die Entwicklungskosten amortisieren.

Seit 2004 gilt: Der Bundesfinanzhof entschied im Urteil vom 4. Mai 2004 (Az. XI R 9/03), dass Programmierer sehr wohl freiberuflich tätig sein können, solange sie keine Trivialsoftware herstellen. Dabei wurde die früher maßgebliche Trennung zwischen "Systemsoftware" und "Anwendungssoftware" aufgehoben, deren Abgrenzung sich für die Finanzverwaltung häufig problematisch war. Eine wesentliche Einschränkung besteht dabei in Bezug auf "Trivialsoftware": In Anlehnung an die Einkommensteuerrichtlinien ist hierunter Software als geringfügiges Wirtschaftsgut unter 410 Euro zu verstehen. Der BFH verlangt zur freiberuflichen Ausführung, dass der Steuerpflichtige qualifizierte Software durch eine klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise entwickelt, also Planung, Konstruktion und Überwachung. Die Entwicklung von "Trivialsoftware" erfüllt nach dem BFH diesen Anspruch nicht. Die Erstellung von Lernprogrammen etwa kann in der Form des Freien Berufes ausgeführt werden. Ist das Lernprogramm für die Öffentlichkeit bestimmt und sind eigene Gedanken verfasst, handelt es sich um eine schriftstellerische Tätigkeit (=Tätigkeitsberuf) (BFH, Urteil vom 10.09.1998, Az. IV R 16/97).

Andererseits gilt für die Programmierungen: Sie können als ingenieurähnlich und damit steuerlich freiberuflich eingestuft werden. Eine akademische Vorbildung ist nicht erforderlich, wenn Ihre Tätigkeit Anforderungen stellt, die üblicherweise ein Ingenieur erfüllt im IT-Bereich.

Für das Spiele-Design gilt das Folgende: Bis zur BFH-Entscheidung vom 17.7.1958 führte eine gewerbliche Zweckbestimmung dazu, dass eine gestalterische Leistung generell nicht als eine künstlerische Tätigkeit eingestuft wurde. Seither hat sich die Rechtsprechung jedoch auch hier grundlegend geändert, hier am Beispiel der Grafik-Designer: "Für die Gerichte ist seitdem allein entscheidend, ob der Grafikdesigner ohne Rücksicht auf die spätere Verwendung seiner Arbeit schöpferische Leistungen vollbringt, also Leistungen, in denen sich seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft widerspiegeln und die neben einer hinreichenden Beherrschung der Technik der betreffenden Kunstart eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreichen." Es ist davon auszugehen, dass die "hinreichende Beherrschung der Technik" bereits durch ihre Ausbildung und die langjährige Berufstätigkeit als Gestalter o.ä. als gegeben anzunehmen ist. Wenn sich ein Grafik-Designer "[...] an ins Einzelne gehende Angaben und Weisungen seines Auftraggebers zu halten hat und ihm infolgedessen kein oder kein genügender Spielraum für eine eigenschöpferische Leistung bleibt [...]", würde dies gegen die Ausübung einer künstlerischen Tätigkeit sprechen, da dann die künstlerische Gestaltungshöhe nicht gegeben wäre. Dass mitunter Vorgaben von Auftraggebern zu berücksichtigen sind, liegt nach Auffassung der Gerichte an der Besonderheit des Designer-Berufes und ist für die Frage der Freiberuflichkeit unschädlich (FG Berlin, Urteil vom 23.9.1997 (VII 94/92), solange der Grafik-Designer die Art und Weise der Umsetzung gemäß seiner eigenen schöpferischen Phantasie bestimmen kann.

Eine wichtige Anmerkung: Die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse kann nicht mit der einkommensteuerlichen Zuordnung zu den Freien Berufen gleichgesetzt werden.

Wenn Sie beim Finanzamt einen Freien Beruf anzeigen, kann folgendes passieren: Es kommt immer wieder vor, dass die Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung akzeptiert werden. Betroffene Personen gehen dann ebenso häufig wie fälschlich von einer Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) bei Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Beachten Sie bitte: Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte "verbindliche Auskunft" des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit sehr hohen Anforderungen und auch mit Kosten verbunden.

Das Zwischenergebnis lautet also: Sie müssen für die Programmierung eine ingenieurähnliche Qualifikation und Tätigkeit nachweisen und dazu belegen, dass die von Ihnen entwickelte Software nicht als Trivialsoftware einzuschätzen ist. Wenn Crowdfunding in Form von stillen Beteiligungen durchgeführt wird, erscheint dies weniger problematisch. Der Verkauf ist schlichtweg gewerblich. Sie müssten Ihre steuerliche Freiberuflichkeit gegenüber der Finanzverwaltung begründen auf der Grundlage der angegebenen Anforderungen.

Der Vertrieb von Computerspielen stellt grundsätzlich einen Verlag dar und ist gewerblich. Damit könnten Sie eine so genannte "gemischte Tätigkeit" ausüben: Die Rechtsprechung ermöglicht dem Freiberufler neben seiner freiberuflichen Tätigkeit auch gewerblich tätig zu werden. Demnach können Einkünfte aus selbstständiger Arbeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG als auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. d. § 15 EStG erzielt werden. Trennbar gemischte Tätigkeit: Dies ist aber nur der Fall, wenn zwischen den beiden Bereichen kein Zusammenhang besteht - man spricht von einer gemischt-trennbaren Tätigkeit. Der gewerbliche Teil Ihrer Tätigkeit wäre ein Verlag. Für eine getrennte Behandlung ist es vorteilhaft, wenn eine getrennte Buchführung und getrennte Bankkonten vorhanden sind. Betriebsausgaben sind durch Schätzung aufzuteilen. Aber: Alle Gesellschafter in dem freiberuflichen Unternehmen müssen tatsächlich Freiberufler sein!

Kommen wir zur Steuererklärung bei gemischten Tätigkeiten: Wenn Ihre gewerblichen und freiberuflichen Tätigkeiten getrennt in Rechnung gestellt und verbucht werden können, haben Sie auch getrennte Erfassungen bei der Steuer. Für die Einkommensteuererklärung bedeutet das: Zu den insgesamt sieben Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes gehört auch der zu versteuernde Gewinn aus einer unternehmerischen Tätigkeit. Dies können Gewinne aus einer freiberuflichen oder gewerblichen Unternehmertätigkeit sowie Gewinnanteile von Gesellschaftern sein.

Für Sie kann das bedeuten, dass Sie
- Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (= freiberufliche Einkünfte) und
- Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen.

Sie geben also Ihre Einkünfte in den jeweiligen Formularen an sowie die damit verbundenen Kosten. Die Erklärung beinhaltet auch Angaben des Steuerpflichtigen zur Eigenermittlung des Gewinns durch Betriebsvermögensvergleich (Regelfall) bzw. der erleichterten Ermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung (Freiberufler, Kleinunternehmer). Der entsprechende Jahresabschluss ist der Einkommensteuererklärung beizufügen.

Das Ergebnis ist das zu versteuernde Einkommen. Sämtliche zu versteuernden Einkünfte werden addiert und die Steuer darauf festgelegt. Beachten Sie bitte grundsätzlich, dass Sie als Unternehmer erweiterte Möglichkeiten haben, Kosten von der Steuer abzusetzen.

Nun kommt noch eine steuerliche Besonderheit: Sie können Leistungen als Freiberuflerin an Ihren Spiele-Verlag verkaufen, also in Rechnung stellen. Das kann für Sie wirtschaftliche Vorteile bringen. (Nicht nur) für eine derartige Konstruktion empfehle ich einen Steuerberater.

Ihre Anfrage hätte ich gerne handlicher beantwortet, aber die Rechtslage steht dem entgegen. Ich empfehle die Unterstützung durch einen Steuerberater.

Ihr Gewerbe könnten Sie formlos abmelden. Auch für die Vergangenheit hat ein angemeldetes Gewerbe keine rechtliche Auswirkung, wenn später festgestellt wird, dass eine freiberufliche Tätigkeit vorlag. Ein Selbstständiger kann also auch für einen Zeitraum, in dem er ein Gewerbe angemeldet hatte, als Freiberufler anerkannt werden.

Wie ich schon an anderer Stelle angemerkt habe, ist die Mitgliedschaft in der KSK nicht automatisch mit der steuerlichen Freiberuflichkeit verbunden - hier gelten teilweise andere Anforderungen.

Quelle:
Dr. Willi Oberlander M.A.
Diplom-Betriebswirt (FH)
Geschäftsführer
Institut für Freie Berufe an der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg e.V. (IFB)
Juli 2014

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