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Keramiker: freiberufliche oder handwerkliche Tätigkeit?

Frage

Ich möchte mich mit einer Keramikwerkstatt selbständig machen. Ich designe selber Dekorationsgegenstände (alles Unikate), welche keinen Gebrauchswert haben. Nun frage ich mich, ob es ausreicht mich als freiberuflicher Kunsthandwerker beim Finanzamt anzumelden oder ob eine Eintragung bei der Handwerkskammer (Handwerksrolle) und somit die Anmeldung von einem Gewerbe von Nöten ist. Es ist ja auch eine finanzielle Frage. Die HWK sagt natürlich, dass eine Eintragung bei der Kammer notwendig ist und hat mir gleich einen individuellen Beratungstermin gegeben. Wie ist Ihre neutrale Einschätzung bzw. Ihr Rat diesbezüglich? Sollte ich mich vielleicht von dem Termin mit der Handwerkskammer distanzieren, um eine unnötige Eintragung in der Handwerkskammer und eine Gewerbeanmeldung zu vermeiden?

Antwort

Die Frage, ob eine künstlerische und damit freiberufliche Tätigkeit im Sinne des Einkommensteuergesetzes vorliegt, kann nur im Wege der Einzelfallprüfung beantwortet werden. Hier gilt zunächst, dass im Gegensatz zu anderen freien Berufen eine spezifische Ausbildung nicht erforderlich ist (ein Kunststudium etwa ist auch bei der Beurteilung der Freiberuflichkeit von Vorteil, aber nicht zwingend erforderlich). Grundlegend ist die Unterscheidung zwischen freier Kunst (z.B. Komponisten oder Kunstmaler) sowie Kunsthandwerk und Handwerk. Die künstlerische Tätigkeit wird demnach vor allem dadurch gekennzeichnet, dass kein Gebrauchszweck vorliegt. Ziel dieser Formen der Kunst ist die Hervorbringung einer ästhetischen Wirkung. Die Tätigkeit muss auf einer eigenschöpferischen Leistung beruhen, in denen eine „individuelle Anschauungsweise“ zum Ausdruck kommt. Dabei muss eine „gewisse künstlerische Gestaltungshöhe“ erreicht werden. Ein gewerblicher Verwendungszweck schließt die Annahme einer künstlerischen Tätigkeit dann nicht aus, wenn der Kunstwert den Gebrauchswert übersteigt.

Zum Kriterium der Gestaltungshöhe ein Beispiel aus der Rechtsprechung: In der Sache einer Kunstmalerin, die ihre selbst geschaffenen Bilder verkaufte, urteilte der Bundesfinanzhof entgegen der Stellungnahme eines Gutachters. Die Gutachterkommission einer staatlichen Kunstakademie hatte die künstlerische Tätigkeit der Malerin mit der Begründung abgelehnt, die Bilder seien „künstlerisch ohne Belang“. Das Gericht folgte dem nicht. Vielmehr entschied es, dass die Einkünfte der Malerin aus dem Verkauf ihrer Bilder Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG seien, weil die Bilder mit unterschiedlichen Motiven, ohne Schablonen und ohne Mithilfe fremder Arbeitskräfte gemalt worden waren und somit den in Kunsthandlungen angebotenen Bildern vergleichbar seien (BFH 14.8.80, IV R 9/77, BStBl II 81, 21).

Nähere Informationen finden Sie beim BMWK in der „PRAXISHILFE: Freiberufliche Künstlerinnen und Künstler“.

Sie schreiben, „Dekorationsgegenstände“ zu schaffen. Diese Formulierung spricht für Handwerk und damit gewerbliche Tätigkeit. Würde man diese Werke als Kunst in Form von Unikaten ansehen, wäre eine freiberufliche Betätigung denkbar. Das geht nur über die Einzelfallprüfung. Sprechen Sie mit Ihrem Finanzamt, das auch eine beratende Funktion hat! Auch wenn das Finanzamt Sie als freiberuflich („selbstständig“ im Steuerdeutsch) führt, ist das keine Festlegung auf diesen Status. Eine formelle Anerkennung bietet nur die so genannte „verbindliche Auskunft“, die mit einigem Aufwand und auch mit Kosten verbunden ist. Haben Sie den Status als Freiberuflerin, ist die Handwerkskammer nicht für Sie zuständig! Hinzu kommt, dass Berufe wie Glas- und Porzellanmalerinnen oder Keramikerinnen den zulassungsfreien Handwerken zugeordnet sind! Aber: Falls Sie als gewerblich angesehen und einem zulassungsfreien Handwerk zugeordnet werden, müssen Sie sich bei der HWK eintragen lassen. Zulassungsfrei bedeutet immerhin, dass Sie eine entsprechende Ausbildung nicht nachweisen müssen!

Einen Überblick zum Thema Selbständigkeit in Kunst und Medien bietet das BMWK-Existenzgründungsportal – Kunst und Medien.

Der eigene Online-Vertrieb von Kunstwerken ist schlichtweg gewerblich. Mit dem Eigenvertrieb von Kunst im Internet schaffen Sie laut Rechtsprechung eine „neue Erwerbsgrundlage“, im Gegensatz zur persönlichen Bereitstellung von Werken für einzelne Auftraggeber/Käufer oder zum Vertrieb durch Dritte. In diesem Zusammenhang dürfte für Sie von Bedeutung sein, dass es bei der Gewerbesteuer einen Freibetrag in Höhe von 24.500 Euro pro Kalenderjahr gibt.

Gehen wir davon aus, dass bei Ihnen sowohl eine künstlerische und damit freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt (Onlineverkauf), dann wäre eine so genannte „gemischte Tätigkeit“ möglich. Was das ist und wie man damit umgeht, erfahren Sie im BMWK-Existenzgründungsportal gemischte Tätigkeiten.

Quelle:
Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung

Stand:
September 2019

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