Antwort
Grundsätzlich ist die Unterscheidung zwischen der freien Kunst, dem Kunstgewerbe und dem Kunsthandwerk von Bedeutung. Die Begründung für diese Unterscheidung liegt darin, dass bei der Ausübung einer zweckfreien Kunst die künstlerische Tätigkeit zu bejahen ist, bei zweckgebundener Gebrauchskunst auch eine gewerbliche Tätigkeit vorliegen kann. Ein Kunstgewerbe liegt bei Ihnen nicht vor, da hierbei in größeren Serien, maschinell und nach Entwürfen Dritter gearbeitet wird. Es geht also lediglich um die Unterscheidung zwischen Kunst und Kunsthandwerk.
Dieser Zusammenhang wird in einem Urteil des Bundesfinanzhofs auf den Punkt gebracht: „Stellt ein Kunsthandwerker von ihm entworfene Gebrauchsgegenstände (Beleuchtungskörper) in grundsätzlich nicht wieder vorkommenden Einzelstücken selbst her, so ist die Tätigkeit als künstlerische zu werten, wenn das Wesen der künstlerischen Gestaltung gerade in der Art der Ausführung der Ideen liegt und der Kunstwert den Gebrauchswert erheblich übersteigt.“ (BFH-Urteil vom 26.09.1968 (IV 43/64) BStBl. II 1969, S. 70.).
Da es für den Begriff der Kunst in Recht und Rechtsprechung lediglich eine Umschreibung gibt, wird im Zweifel auf die Expertise von Sachverständigen zurückgegriffen. Zwar können Sie vom Vorliegen einer künstlerischen Tätigkeit ausgehen, müssen jedoch das Folgende beachten: Nach vorliegenden Erfahrungen kommt es häufig vor, dass Selbständige dem Finanzamt einen freien Beruf anzeigen und dabei von einer Freistellung vom Gewerbe ausgehen. Oft werden auch Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung akzeptiert. Betroffene Personen gehen dann ebenso häufig wie fälschlich von einer Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbständig) beim Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit hohen Anforderungen und Kosten verbunden. Es gilt aber auch: Als Einzelunternehmer wird Ihnen bei der Gewerbesteuer ein jährlicher Freibetrag von 24.000 Euro gewährt. Bleiben Ihre Einkünfte regelmäßig unterhalb dieser Grenze, müssten Sie keine Nachzahlungen der Gewerbesteuer befürchten.
Kommen wir zum Verkauf im Internet:
Verkaufen Sie eigene Werke im Internet über Dritte und erhalten Sie von diesen Unternehmen einen Anteil an den Einnahmen, so handelt es sich um Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit, sofern Sie als künstlerisch tätig anerkannt sind.
Der häufig getroffenen Aussage, dass ein Verkauf künstlerischer Werke im Internet zwangsläufig eine gewerbliche Tätigkeit darstellt, kann also nicht zugestimmt werden. Ein Gewerbe liegt nach der Rechtsprechung bei Verkauf im Internet - hier bei schriftstellerischer Tätigkeit - dann vor, wenn die „zu diesem Zweck geschaffene organisatorische Einrichtung“ über die schriftstellerische Tätigkeit hinausgeht und „eine neue Erwerbsgrundlage darstellt“ (BFH vom am 11.5.1976, Aktenzeichen VIII R 111/71). „Die bloße Verwertung eigener schriftstellerischer Erzeugnisse im Rahmen des Üblichen”, so heißt es in diesem Urteil, „ist . . . in der Regel der freiberuflichen Tätigkeit zuzuordnen”. Weiter steht in dem zitierten Urteil, dass Schriftsteller ihre Werke selbst verlegen dürfen und dabei den Status von Freiberuflern erhalten können, solange Selbstverlag und Eigenvertrieb sich auf eine „der schriftstellerischen Tätigkeit dienende Funktion” beschränken und keine „neue Erwerbsgrundlage darstellen”. Erst wenn die „zu diesem Zweck geschaffene organisatorische Einrichtung“ darüber hinaus geht, werden Autoren und damit auch andere Künstler zu Gewerbetreibenden.
In diesem Zusammenhang wurde auch von „gewerblichem Massenvertrieb“ gesprochen. Hier kommt also die Zahl der verkauften Werke als entscheidendes Kriterium hinzu. Allerdings gibt es dafür keine festgeschriebenen Grenzen. Die Stiftung Warentest nennt als typische Indizien für gewerblichen Verkauf regelmäßigen Handel, hohe Umsätze, häufige Verkäufe von gleichartigen Produkten oder Neuware. Außerdem werde in der Finanzverwaltung eine Faustformel von mehr als 40 Verkäufen innerhalb „weniger Monate“ in Ansatz gebracht. Unterhalb und außerhalb dieser Vorgaben könnte auch der Verkauf im Internet noch der künstlerischen Tätigkeit zugeordnet werden. Die Lösung kann im Zweifelsfall in einer offenen Kommunikation mit dem Finanzamt liegen. Das Finanzamt hat auch eine beratende Aufgabe. Anmerkung: Wenn ein Künstler etwa Lithographien mit einer Auflage von 100 Exemplaren in eigener Regie verkauft, muss er mit Gewerblichkeit rechnen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte in einem Urteil vom 04.12.2008 (Az. I ZR 3/06) fest: „Ob ein Anbieter von Waren auf einer Internetplattform im geschäftlichen Verkehr oder im privaten Bereich handelt, ist auf Grund einer Gesamtschau der relevanten Umstände zu beurteilen. Dazu können wiederholte, gleichartige Angebote gegebenenfalls auch von neuen Gegenständen, Angebote erst kurz zuvor erworbener Waren, eine ansonsten gewerbliche Tätigkeit des Anbieters, häufige sog. Feedbacks und Verkaufsaktivitäten für Dritte rechnen.“
Ihre Zuordnung zu den freien Berufen erscheint auf der Grundlage des von Ihnen geschilderten Sachverhalts möglich. Aus den genannten Vorbehalten heraus kann ich Ihnen hierfür jedoch keine Garantie geben, zumal Finanzverwaltungen in ihrer Meinungsfindung keine eindeutige Linie erkennen lassen. Dies betrifft weniger die Frage Ihrer künstlerischen Tätigkeit als deren Verkauf im Internet. Eine besondere Unsicherheit ist in dem Umstand zu sehen, dass Sie Kleinserien zu fünf Objekten anbieten wollen und nach deren Verkauf eine Neuauflage planen. Eine Verständigung mit Ihrem Finanzamt erscheint unerlässlich, um einer unsicheren Geschäftsgrundlage vorzubeugen.
Soll auf jeden Fall verhindert werden, dass der gewerbliche Vertrieb oder auch Verlag den Freien Beruf „infiziert“ (Steuerdeutsch), so sind diese Tätigkeiten steuerlich getrennt zu behandeln.
Zu „gemischten Tätigkeiten - gewerblich und freiberuflich“ informiert das BMWi-Existenzgründungsportal.
Sehen Sie auch die PRAXISHILFE: Freiberufliche Künstlerinnen und Künstler (PDF, 111 KB).
Tipps des BMWi für Künstler gibt es auch in der Broschüre „Alles, nur kein Unternehmer“.
Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
Oktober 2019
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