Antwort
Im Folgenden wird die Frage der Zuordnung zu freien Berufen für die von Ihnen genannten Dienstleistungen erörtert:
- Übersetzerin
- Reiseleiterin
- Serviceleistungen
- Marketing
In § 18 (1) Einkommensteuergesetz (EStG) steht unter „Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehören die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, … Dolmetscher, Übersetzer ….“
Nun müssen noch die Anforderungen an die Qualifikation erfüllt werden. Übersetzer/in ist in Deutschland keine geschützte Berufsbezeichnung. Ein Abschluss als „staatlich geprüfter Dolmetscher/Übersetzer“ oder ein Hochschulabschluss ist hier für die Freiberuflichkeit unabdingbar.
Reiseleiterin: Plant, organisiert und leitet den Ablauf einer Reise und gewährleistet die Einhaltung der vertraglich angebotenen Reiseleistungen. Dazu gehört auch die Weitergabe von Informationen und die Betreuung von Reisenden. Bei einer Gästeführerin hingegen steht die Vermittlung von Wissen über Kultur, Geschichte usw. eindeutig im Mittelpunkt, idealerweise in der Sprache der Reisenden. Daran erkennen Sie auch deutlich den Unterschied zwischen gewerblicher Reiseleitung und freiberuflicher Gästeführung. Die Abgrenzung ist jedoch in der Praxis schwierig, da beide Tätigkeiten erhebliche Schnittmengen aufweisen können.
Die Rechtsprechung hierzu ist nicht eindeutig. So hat das Finanzgericht Nürnberg mit Urteil vom 24. Mai 1962 (EFG 1963, 63) die selbstständig ausgeübte Tätigkeit eines Reiseleiters als Gewerbebetrieb angesehen. Der Bundesfinanzhof hat einen Fremdenführer ebenfalls als gewerblich eingestuft (BFH-Urteil vom 9.7.1986, I R 85/83, BStBl. 1986 II S. 851). Zu einem anderen Schluss kam das Finanzgericht Hamburg (29.6.2005, II 402/03). Das Finanzgericht Berlin stellte zur Informationsfahrtbegleitung fest, dass es sich unter bestimmten Voraussetzungen um eine unterrichtende Tätigkeit handeln kann: (Zitat) „Als Unterricht wird demgegenüber planmäßiges und regelmäßiges Lehren (...) oder die systematische Vermittlung von Bildungsgut im Rahmen der Erziehung (...) verstanden. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß dem vermittelten Wissen eine über den aktuellen Bezug hinausreichende Bedeutung zukommt und - was regelmäßig damit in Zusammenhang steht - eine gewisse Verarbeitung des Informationsstoffes erforderlich ist. (...) Von Unterricht kann deshalb nur gesprochen werden, wenn der zu vermittelnde Stoff sowohl dem Inhalt als auch dem Umfang nach eine solche Informationsverarbeitung erfordert. Die Vermittlung von Wissen über politische und wirtschaftliche Lage einer Weltstadt, ihrer Ver- und Entsorgung, der Verkehrssituation, Bevölkerungsstruktur, Stadtplanung usw. betrifft den Stoff, der dem Inhalt und dem Umfang nach diese Voraussetzung für den Begriff des Unterrichts erfüllt.“ (Zitatende)
Finanzgericht Berlin, V. Senat, 29. Juli 1976, Aktenzeichen V 38 u. 39/76
Wenn die Tätigkeit also in der Erschließung und Vermittlung von Wissen besteht, kann sie freiberuflich sein. Die unterrichtende Dienstleistung muss dabei eindeutig den Schwerpunkt bilden. Ob eine solche Tätigkeit freiberuflich ist, kann in der Regel nur über Einzelfallentscheidung bestimmt werden.
Das Angebot von Servicedienstleistungen muss als gewerblich angesehen werden.
Zum Marketing: Hier wird für die Freiberuflichkeit - als beratende Betriebswirtin nach dem Einkommensteuergesetz - zunächst ein bestimmtes Qualifikationsniveau gefordert. Außer der Ausbildung an einer Hochschule kann auch der Abschluss als staatlich geprüfter Betriebswirt genügen. Über diese Anforderung hinaus gilt auch (Zitat) „ein vergleichbares Selbststudium als ausreichend, verbunden mit praktischer Erfahrung, Kenntnissen in allen hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre, die denen vergleichbar sind, die in einem der genannten Ausbildungsgänge üblicherweise erworben werden können. Er muss die fachliche Breite seines Wissens bei seiner praktischen Tätigkeit einsetzen können und auch einsetzen. … Die notwendige Breite der Betätigung ist allerdings schon dann vorhanden, wenn sich die Beratung wenigstens auf einen betrieblichen Hauptbereich der Betriebswirtschaft bezieht (BFH-Urteil vom 18. August 1988 V R 73/83). Nicht ausreichend ist die Tätigkeit, wenn sie sich nur auf einen engen Teilbereich der Betriebswirtschaft bezieht.“ (Zitatende)
Quelle: Urteil vom 14.08.1990, Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Az.: 2 K 57/88
Schwerpunkte der BWL sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes: Unternehmensführung, Leistungserstellung (Fertigung von Gütern/Bereitstellung von Dienstleistungen), Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen. Ob eine ausreichende Qualifikation vorliegt, ist bei Nichtvorliegen eines der genannten Abschlüsse wiederum im Einzelfall zu prüfen.
Bei Ihnen könnte also ein „gemischte Tätigkeit“ vorliegen zwischen freiberuflicher und gewerblicher Dienstleistung. Die Rechtsprechung sagt hierzu: Sind bei einer gemischten Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale miteinander verflochten und bedingen sich gegenseitig unlösbar, muss der gesamte Betrieb als ein einheitlicher angesehen werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die freiberufliche Tätigkeit lediglich als Ausfluss einer gewerblichen Betätigung darstellt oder wenn ein einheitlicher Erfolg geschuldet wird und in der dafür erforderlichen gewerblichen Tätigkeit auch freiberufliche Leistungen enthalten sind. In diesem Fall ist unter Würdigung aller Umstände zu entscheiden, ob nach dem Gesamtbild die gemischte Tätigkeit insgesamt als freiberuflich oder als gewerblich zu behandeln ist.
Möglicherweise liegt auch eine „trennbar gemischte Tätigkeit“ vor. Hierbei übt eine Einzelfreiberuflerin sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, wobei diese steuerlich getrennt zu behandeln sind. Dies ist aber nur der Fall, wenn zwischen den beiden Bereichen kein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Für eine getrennte Behandlung sind getrennte Rechnungsstellung und Buchführung erforderlich sowie separate Bank- und Kassenkonten. Betriebsausgaben sind durch Schätzung aufzuteilen. Wenn Ihre gewerblichen und freiberuflichen Tätigkeiten also getrennt in Rechnung gestellt und verbucht werden können, haben Sie auch getrennte Erfassungen bei der Steuer.
Beachten Sie bitte: Akzeptiert das Finanzamt Ihre Dienstleistung als freiberuflich („selbstständig“ im Steuerdeutsch), ist damit keine förmliche Anerkennung verbunden. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes, die mit hohen Anforderungen und auch mit Kosten verbunden ist.
Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
September 2017
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