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Beratung und Coaching als Sozialarbeiter / Sozialpädagogen: Freiberufliche Tätigkeit?

Frage

Gemeinsam mit einem Kollegen möchte ich mich nebenberuflich freiberuflich selbständig machen und (Online-)Beratung/Coaching sowohl im Einzel- als auch Gruppensetting anbieten. Thematisch geht es um Beratung zu Krisen & Konflikten, Arbeitsstörungen, Persönlichkeitsentwicklung, Stress/Burnout. Wir sind beide Sozialarbeiter/Sozialpädagogen (M.A.) mit dem Schwerpunkt psychosoziale Beratung. Würde die Beratung zu den genannten Themen unter die freiberufliche Tätigkeit eines M.A.-Sozialarbeiters/Sozialpädagogen fallen? Dürften wir unser Unternehmen "Psychosoziale Beratung/Psychosoziales Coaching" und uns selbst als "psychosoziale Berater/Coaches" bezeichnen?

Antwort

Psychosoziale Beratung für Gruppen können Sie als eine lehrende Tätigkeit ausüben. Das Einkommensteuerrecht stellt an die unterrichtende Tätigkeit im freien Beruf bestimmte Anforderungen. Zur Vertiefung verweise ich auf die Praxishilfe des BMWK zu unterrichtenden Tätigkeiten unter: www.existenzgruender.de

Da Sie über Hochschulabschlüsse verfügen und die genannten Tätigkeiten Ihrem Berufsbild zugeordnet werden, steht bei Erfüllung der in der Praxishilfe genannten Anforderungen dem freien Beruf hier nichts entgegen.

Zur Anmeldung beim Finanzamt: Es war und ist von Finanzämtern häufig geübte Praxis, Sozialarbeiterinnen und Sozialpädagoginnen mit Hochschulabschluss als den Psychologen ähnliche Berufe einzustufen und damit den freien Berufen zuzuordnen. Diplom-Psychologen sind nicht im Einkommensteuergesetz, sondern im Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) als freier Beruf genannt und fungieren als Referenzberuf, etwa für Sozialpädagogen.

Es liegt jedoch ein Urteil des Finanzgerichts Köln vor, das zu einem anderen Ergebnis kommt. Demnach ist eine Diplomsozialarbeiterin bei der Betreuung behinderter und suchtkranker Menschen gewerblich tätig. Der Bundesfinanzhof hat dieses Urteil bestätigt (BFH-Urteil vom 29.9.2020, VIII R 10/17 (veröffentlicht am 25.2.2021); Vorinstanz: FG Köln vom 1.6.2017, 15 K 243/14)

Zitat aus dem Urteil: „Die Tätigkeit der Klägerin, die demnach auf den Ausgleich individueller, gemeinsam mit dem Klienten bestimmter Defizite gerichtet war, betraf einzelne, ausgewählte Bereiche und war -…- nicht auf eine umfassende Schulung des Charakters der Klienten bzw. die Bildung von deren Persönlichkeit im Ganzen gerichtet.“

Dieses Urteil bezieht sich auf die erzieherische Tätigkeit mit Kindern und Jugendlichen und nicht auf sozialpädagogische Dienstleistungen allgemein. Jedoch muss davon ausgegangen werden, dass die Finanzämter darauf Bezug nehmen.

Zum Coaching: Wenn die Tätigkeit die Entwicklung eines auf die speziellen Bedürfnisse einer Person abgestellten, nicht auf einen Fachbereich beschränkten Programms erfordert, so stellt dies keine Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form mehr dar. Es handelt sich hierbei um eine beratende Tätigkeit. In diesem Zusammenhang wird nur beratenden Betriebswirten ein freiberufliches Coaching zugestanden. Diesen Ansatz müssen wir hier nicht verfolgen. Wichtiger ist die Tatsache, dass in vielen akademischen Berufen wie Pädagogen und eben auch in der Sozialarbeit bzw. Sozialpädagogik das Coaching zum Berufsbild gehört. Die Verengung von Coaching auf BWL ist vor allem damit zu erklären, dass Gesetzgebung und Rechtsprechung zu diesem Thema weit hinter der Entwicklung von Berufsbildern zurückbleiben. Das sehen auch Finanzämter ein, aber nicht alle!

Sollten Sie sich trotz dieser Feststellungen entschließen, dem Finanzamt einen freien Beruf anzuzeigen, so beachten Sie bitte noch das Folgende: Oft werden Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung akzeptiert. Betroffene Personen gehen dann häufig fälschlich von einer Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) beim Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte "verbindliche Auskunft" des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit hohen Anforderungen und mit Kosten verbunden.

Unabhängig davon können und sollten Sie sich mit dem Finanzamt in Verbindung setzen, das auch eine beratende Funktion hat. Nach meiner langjährigen Erfahrung werden SozialarbeiterInnen, insbesondere mit Masterabschluss, von den Finanzämtern als freiberuflich eingestuft. Voraussetzung ist, dass sie im Rahmen ihres Berufsbildes tätig sind.

Zur Online-Beratung ist das Folgende festzustellen: Da die Freiberuflichkeit im Besonderen dadurch charakterisiert ist, dass die Leistung persönlich und eigenverantwortlich erbracht wird, ist es zwingend erforderlich, dass im Rahmen von Online-Diensten ein deutlich interaktiver Austausch in individueller und spezifischer Form vorliegt. Zur Frage der persönlichen Dienstleistung ohne direkten Kontakt ist die Rechtsprechung nicht auf der Höhe der Zeit. Bei Berufen mit besonderem Vertrauensverhältnis geht die Tendenz aber dahin, Online-Beratung ohne vorherigen direkten Kontakt als gewerblich einzustufen.

Die Berufsbezeichnung der psychologischen Berater oder Coaches ist gesetzlich nicht geschützt. Vermeiden Sie unbedingt den Begriff und die Durchführung von Therapien oder Wortverbindungen mit Heilen. Dabei ist unerheblich, ob diese Tätigkeit freiberuflich oder gewerblich ausgeübt wird. "Psychosoziale Beratung", "Psychosoziales Coaching" und "psychosoziale Berater/Coaches" sind zulässig und dienen auch der Konfliktvermeidung mit Psychotherapeuten.

Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung

Juli 2022

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