Antwort
Der Bundesfinanzhof (BFH) stellte im Jahr 2002 in einem Urteil fest: „Ein selbständig tätiger Verkehrsflugzeugführer erzielt in der Regel Einkünfte aus Gewerbebetrieb.“
Zitate aus diesem Urteil: „Der Kläger übt als Pilot keinen freien Beruf aus. Der Beruf des Piloten ist in dem Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht genannt. Neben den dort ausdrücklich genannten Berufen gehören zur freiberuflichen Tätigkeit auch die diesen Katalogberufen ähnlichen Berufe. Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit diesem verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit.
a) Danach ist der Beruf eines Piloten nicht vergleichbar mit dem Beruf eines Ingenieurs. Ingenieur i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist nach ständiger Rechtsprechung seit In-Kraft-Treten der Ingenieurgesetze der Länder nur noch, wer das Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule, einer Fachhochschule oder einer Ingenieurschule oder den Betriebsführerlehrgang an einer Bergschule abgeschlossen hat (BFH-Urteile vom 18. Juni 1980 I R 109/77, BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118, und vom 10. November 1988 IV R 63/86, BFHE 155, 109, BStBl II 1989, 198). Wer geltend macht, einen dem Ingenieur ähnlichen Beruf auszuüben, muss deshalb nachweisen, dass er Kenntnisse auf dem Gebiet des Ingenieurwesens hat, die in der Breite und Tiefe denjenigen entsprechen, die ein Absolvent einer Hochschule oder Fachhochschule erworben hat (Senatsurteile vom 5. Oktober 1989 IV R 154/86, BFHE 158, 409, BStBl II 1990, 73, unter b, und in BFHE 155, 109, BStBl II 1989, 198). Außerdem muss er in mindestens einem Kerngebiet des Ingenieurwesens praktisch tätig sein.
… Ein Flugingenieur erfüllt danach nur noch dann die Voraussetzungen eines Ingenieurs i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn er tatsächlich eine Hoch- oder Fachhochschule der Ingenieurwissenschaften erfolgreich absolviert hat. Dies gilt in gleicher Weise auch für einen Piloten.
… Beide Voraussetzungen werden vom Kläger nicht erfüllt, so dass dahinstehen kann, ob die Ausübung des Pilotenberufs eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit ist…
b) Der Kläger übt auch keinen dem Beruf des Lotsen ähnlichen Beruf aus. (Zitatende)
Quelle: BFH-Urteil vom 16.5.2002 (IV R 94/99) BStBl. 2002 II S. 565
Da Sie Seminare und Coaching durchführen, kommt für Sie die unterrichtende Tätigkeit als Zugang in den freien Beruf in Frage. Unterricht ist nach der Rechtsprechung die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen durch Lehrer an Schüler in organisierter und institutionalisierter Form. Diese organisierte und institutionalisierte Form des Unterrichts setzt unter anderem ein auf ein bestimmtes Fachgebiet bezogenes schulmäßiges Programm voraus. Erfordert die Tätigkeit die Erarbeitung und Entwicklung eines speziell auf die Bedürfnisse einer Person abgestellten, nicht auf einen Fachbereich beschränkten Programms, so stellt dies keine Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form mehr dar. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine beratende Tätigkeit.
Wichtig könnte für Sie noch die Rechtsprechung zum Fitnessstudio sein, falls Sie auch Einzelunterricht anbieten möchten. Denn: Der Betrieb eines Fitnessstudios kann nach einem entsprechenden Urteil eine unterrichtende und damit eine freiberufliche Tätigkeit darstellen. Voraussetzung ist, dass der Studioinhaber für jeden Kursteilnehmer ein individuelles Trainingsprogramm erstellt und das Training während der gesamten Vertragsdauer überwacht. Diese Anforderung ist auf viele unterrichtende Tätigkeiten übertragbar. Dies gilt auch für Coaching, das unter dieser Voraussetzung freiberuflich wäre. Ihre Qualifikation als Pilot sollte ausreichen, die hier geforderte „Dienstleistung höherer Art“ zu begründen.
Gelegentlich wird Coaching auch mit erzieherischer Tätigkeit in Verbindung gebracht. Eine erzieherische Tätigkeit erfordert eine umfassende Schulung des Charakters und die Bildung der Persönlichkeit im Ganzen. Eine erzieherische Tätigkeit liegt nach der Rechtsprechung nur im Umgang mit Kindern und Jugendlichen vor! Der Bundesfinanzhof hat das Coaching von Managern zwecks Bewältigung von Führungsaufgaben als gewerblich eingestuft (BFH-Urteil vom 11.6.1997, XI R 2/95, BStBl. 1997 II S. 687).
Als weitere Dienstleistung nennen Sie das Personalrecruitment für Luftfahrtpersonal: Der Bundesfinanzhof hat im Jahr 2002 einen Diplom-Kaufmann für gewerblich erklärt, der in der Personalberatung tätig war. Dabei handelte es sich nicht nur um eine vermittelnde Tätigkeit, sondern um eine komplexe Dienstleistung: Erstellung von Anforderungsprofilen, Kontaktpflege, Beurteilung von Bewerbungsunterlagen, Führung von Bewerbungsgesprächen und Unterbreiten von Vorschläge für geeignete Kandidaten. Als wichtigen Vorbehalt stellte das Gericht fest, dass die Zahlung von Erfolgshonoraren für Personalvermittlung grundsätzlich gewerblich sei (Erfolgshonorare sind immer ein deutliches Indiz für Gewerbe). Hauptargument war jedoch die Spezialisierung der Aufgabe. Zitat: „Für die Zuordnung zum Beruf eines beratenden Volks- oder Betriebswirts (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) fehlt die Voraussetzung, dass sich die Tätigkeit auf einen Hauptbereich der Betriebswirtschaft erstrecken muss (BFH-Urteil vom 4. 5. 2000 IV R 51/99, BStBl II 2000, 616). Denn prägend für die streitige Tätigkeit ist nicht die Beratung, sondern die Vermittlung von Personal, die nicht typisch für einen beratenden Betriebswirt, sondern für eine - gewerbliche - Maklertätigkeit ist (vgl. BFH, Urteil v. 26.11.1998, IV R 59/97, BStBl II 1999, 167 zu sog. Spielerberatern). Dies gilt selbst dann, wenn der Steuerpflichtige im Übrigen die berufsrechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung eines sog. Katalogberufs i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt (BFH, Urteil v. 27. 2. 1992, IV R 131/90, BFH/NV 1992, 664).“ (Zitatende)
Quelle: BFH, Urteil vom 19.09.2002, IV R 70/00
Hier würde also bei Ihnen die Freiberuflichkeit in Frage gestellt. Zur näheren Information: Schwerpunkte der BWL sind nach der Rechtsprechung des BFH: Unternehmensführung, Leistungserstellung (Fertigung von Gütern/Bereitstellung von Dienstleistungen), Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen. Dabei ist also Personalwesen in seiner Gesamtheit gefordert und nicht „nur“ Personalrecruitment als Teilgebiet des Personalwesens - inwieweit dies der Realität in Unternehmen entspricht, ist eine andere Frage!
Da Sie angeben, Personalauswahlverfahren durchführen zu wollen, können diese wiederum unterrichtenden Form annehmen und damit freiberuflich sein. Es gelten die oben genannten Voraussetzungen. Dass der von Ihnen durchgeführte Unterricht Prüfungscharakter hat, steht dem grundsätzlich nicht entgegen.
Möglicherweise liegt bei Ihnen eine „trennbar gemischte Tätigkeit“ vor. Hierbei übt ein Einzelfreiberufler sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, wobei diese steuerlich getrennt zu behandeln sind. Dies ist aber nur der Fall, wenn zwischen den beiden Bereichen kein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Für eine getrennte Behandlung sind getrennte Rechnungsstellung und Buchführung erforderlich sowie separate Bank- und Kassenkonten. Betriebsausgaben sind durch Schätzung aufzuteilen. Wenn Ihre gewerblichen und freiberuflichen Tätigkeiten also getrennt in Rechnung gestellt und verbucht werden können, haben Sie auch getrennte Erfassungen bei der Steuer.
Beachten Sie bitte noch das Folgende: Nach vorliegenden Erfahrungen kommt es häufig vor, dass selbstständige Dienstleister dem Finanzamt einen freien Beruf anzeigen und dabei von einer Freistellung vom Gewerbe ausgehen. Oft werden Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung akzeptiert. Betroffene Personen gehen dann ebenso häufig wie fälschlich von einer Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) beim Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit hohen Anforderungen und mit Kosten verbunden. Sie sollten mit Ihrem Finanzamt sprechen, das auch eine beratende Funktion hat!
Das Folgende ist noch wichtig für Sie: Lehrende Berufe unterliegen grundsätzlich der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Lehrbegriff der Rentenversicherung wird sehr weit ausgelegt: So gehört Nachhilfe, Sportunterricht, Training oder Coaching ebenso dazu wie Supervision. Nähere Informationen finden Sie bei der Deutschen Rentenversicherung unter http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Navigation/1_Lebenslagen/02_Start_ins_Berufsleben/03_Existenzgruender/01_Selbststaendig_und_pflichtversichert/selbststaendig_und_pflichtversichert_node.html
Ihr Online-Auftritt mit Buchungsportal stünde einer Freiberuflichkeit nicht entgegen. Beachten Sie aber, dass Erfolgshonorare einem freien Beruf nicht entsprechen!
Für einen einzelnen Selbstständigen gibt es mehrere Rechtsformen. Die Auswahl bei den Ein-Personen-Gesellschaften umfasst Einzelunternehmen, Unternehmergesellschaft, Ein-Personen-GmbH und Ein-Personen-AG (die „kleine Aktiengesellschaft“). Detaillierte Informationen zu diesem komplexen Thema finden Sie beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unter http://www.existenzgruender.de/DE/Gruendung-vorbereiten/Rechtsformen/inhalt.html
Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
April 2018
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