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Entspannungstherapeutin u.a.: freiberufliche Tätigkeit?

Frage

Ich bin Entspannungstherapeutin, Kursleiterin für Progressive Muskelrelaxation (PMR) und biete diverse Massagen und Techniken zur Kiefer- und Körperentspannung an, sowie Dorn-Methode und Reiki. Es ist überwiegend mit einer Einzeltherapie zu rechnen. Bin ich mit dieser Art der Dienstleistung freiberuflich tätig oder muss ich ein Gewerbe anmelden?

Antwort

Die von Ihnen genannten Tätigkeiten sind nur dann als freiberuflich im Sinn des Einkommensteuergesetzes anzusehen, wenn Sie von Angehörigen der Heilberufe erbracht werden. In den relevanten Gesetzen (Einkommensteuergesetz und Partnerschaftsgesellschaftsgesetz) nicht genannte Heilberufe können als freiberuflich eingestuft werden, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:

  • Die Ausbildung ist den Katalogberufen ähnlich, wenn sie als mehrjährige theoretische und praktische Ausbildung auf Grund eines bundeseinheitlichen Berufsgesetzes absolviert wird.
  • Die Ausübung des zu beurteilenden Berufs muss einer staatlichen Anerkennung und einer gesetzlich vorgeschriebenen Erlaubnis bedürfen.
  • Die Ausübung des zu beurteilenden Berufs muss einer staatlichen Überwachung durch die zuständige Behörde (z.B. Gesundheitsamt) unterliegen.

Massagen werden nur dann im Rahmen von freiberuflicher Tätigkeit erbracht, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, wie bei staatlich geprüfte Masseuren und Heilmasseuren. Fußreflexzonenmasseure etwa, die den genannten Anforderungen nicht entsprechen, sind als gewerblich anzusehen (Bundesfinanzhof, BFH-Urteil, 19. 9. 2002, IV R 45 / 00, BStBl. 2003 II S. 21).

Entsprechendes gilt für Entspannungstherapien, Progressive Muskelrelaxation (PMR), Techniken zur Kiefer- und Körperentspannung, sowie Anwendung der Dorn-Therapie und für Reiki. Bei der Dorn-Methode etwa kommt noch hinzu, dass hierfür eine wissenschaftliche Anerkennung (noch) nicht vorliegt. Gleiches gilt für Reiki, dem von der Steuerverwaltung die Anerkennung als medizinische Therapiemethode versagt wurde mit der Begründung, dass es sich hierbei um eine „esoterische Heilslehre“ handelt (Oberfinanzdirektion OFD Frankfurt vom 20.7.2006, DB 2006, 1765; BayLandesamt für Steuern vom 30.8.2006, DB 2006, 2038).

Im Zusammenhang mit Reiki wird häufig das so genannte „Geistheiler-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts zitiert (BVerfG, Beschluss vom 02.03.2004 - 1 BvR 784/03) mit der Feststellung, dass es für die Tätigkeit als Geistheiler/in einer Heilpraktikererlaubnis nicht bedarf. Gleichzeitig wurde damit aber auch festgelegt, dass Geistheiler/innen ohne Heilpraktikerzulassung (oder Zulassung als Ärztin(Arzt) ein Gewerbe anmelden müssen. So empfiehlt etwa der Dachverband Geistiges Heilen e.V. (DGH e.V.) seinen Mitgliedern, ihre Tätigkeit beim zuständigen Gewerbeamt anzumelden.

In der Praxis vertreten einzelne Gewerbeämter die Auffassung, die Heilertätigkeit sei kein Gewerbe. Folglich wird von Betroffenen bei der Finanzverwaltung ein freier Beruf angezeigt. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten, wie sich auch bei der unterrichtenden Tätigkeit zeigt.

Da Sie in Ihrer Anfrage auch eine Dienstleistung als Kursleiterin angegeben haben, ist hier noch auf die unterrichtende Tätigkeit im Sinn des Einkommensteuerrechts einzugehen. Steuerlich werden alle Formen unterrichtender Tätigkeit den freien Berufen zugeordnet. Unterricht ist nach der Auffassung im Einkommensteuerrecht und der einschlägigen Rechtsprechung die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen durch Lehrer an Schüler in organisierter und institutionalisierter Form. Diese Art des Unterrichts setzt vor allem ein auf ein bestimmtes Fachgebiet bezogenes schulmäßiges Programm voraus. Erfordert die Tätigkeit die Erarbeitung und Entwicklung eines speziell auf die Bedürfnisse einer Person abgestellten, nicht auf einen Fachbereich beschränkten allgemeingültigen, im Einzelfall abwandlungsfähigen Lernprogramms, so stellt dies keine Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form mehr dar. Hierbei würde es sich vielmehr um eine beratende Tätigkeit handeln, die bei Ihnen nicht freiberuflich wäre. Eine wissenschaftliche Fachausbildung oder ein formaler Befähigungsnachweis ist für eine unterrichtende Tätigkeit im Allgemeinen nicht erforderlich. Entscheidend ist, dass die Unterrichtende die ihr Unterrichtsgebiet betreffenden Kenntnisse und Fertigkeiten besitzt, sowie die Fähigkeit, diese den Schülern zu vermitteln. Dennoch wird in der Praxis wegen unterschiedlicher Vorgaben aus Einkommensteuer- und Gewerberecht auch bei unterrichtenden Tätigkeiten im Gesundheitssektor nicht selten ein einschlägiges Hochschulstudium gefordert.

Möglicherweise liegt bei Ihnen auch eine „trennbar gemischte Tätigkeit“ vor. Hierbei übt eine Einzelfreiberuflerin sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, wobei diese steuerlich getrennt zu behandeln sind. Dies ist aber nur der Fall, wenn zwischen den beiden Bereichen kein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Für eine getrennte Behandlung sind getrennte Rechnungsstellung und Buchführung erforderlich sowie separate Bank- und Kassenkonten. Betriebsausgaben sind durch Schätzung aufzuteilen. Wenn Ihre gewerblichen und freiberuflichen Tätigkeiten also getrennt in Rechnung gestellt und verbucht werden können, haben Sie auch getrennte Erfassungen bei der Steuer.

Nach vorliegenden Erfahrungen kommt es häufig vor, dass selbstständig Lehrende und Berufsausübende in vermeintlichen Heilberufen dem Finanzamt einen freien Beruf anzeigen und dabei von einer Freistellung vom Gewerbe ausgehen. Oft werden Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung akzeptiert. Betroffene Personen gehen dann ebenso oft wie fälschlich von einer Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) beim Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit hohen Anforderungen und Kosten verbunden.

Sollten Sie sich entschließen, auf die Gewerbeanmeldung zu verzichten und lediglich dem Finanzamt einen freien Beruf anzuzeigen, so müssen Sie noch das Folgende beachten: Als Einzelunternehmer wird Ihnen bei der Gewerbesteuer ein jährlicher Freibetrag von 24.500 Euro gewährt. Bleiben Ihre Einkünfte regelmäßig unterhalb dieser Grenze, müssten Sie keine Nachzahlungen der Gewerbesteuer erwarten. Diese Vorgehensweise ist keineswegs ungewöhnlich, zumal viele Selbstständige den hier dargestellten Zusammenhang zwischen Einkommensteuer- und Gewerberecht nicht kennen.

Wenn Tätigkeiten wie die von Ihnen genannten Dienste nebenberuflich und ohne steuerlichen Gewinn ausgeübt werden, ist noch das folgende Urteil eines Finanzgerichts interessant. Mit Urteil vom 24.9.2014 (2 K 1611/13) hat das FG Rheinland-Pfalz entschieden, dass Dienstleistungen im Wellness- und/oder Schönheitsbereich (z.B. Bodyforming, Nageldesign, Feng Shui, Qi Gong, Reiki, Vertrieb von Gesundheits-, Wellness-, Kosmetik- und Modeartikeln usw.), die lediglich nebenberuflich angeboten werden und über Jahre keine Gewinne abwerfen, keine gewerblichen Tätigkeiten darstellen.

Abschließend eine Anmerkung zur Rentenversicherung für Selbstständige. Lehrende Berufe unterliegen grundsätzlich der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies gilt auch, wenn die Tätigkeit nur nebenberuflich ausgeübt wird und bereits im Hauptberuf durch eine Arbeitnehmertätigkeit Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einbezahlt werden. Der Lehrbegriff der Rentenversicherung wird sehr weit ausgelegt: So gehört Nachhilfe, Sportunterricht, Training oder Coaching ebenso dazu wie Supervision. Es gibt allerdings noch eine Ausnahmeregelung: Soweit Yogalehrer monatlich regelmäßig nicht mehr als 450 Euro verdienen, liegt keine Pflichtversicherung vor. Nähere Informationen finden Sie bei der Deutschen Rentenversicherung unter: www.deutsche-rentenversicherung.de

Ihre Anfrage hätte ich gerne einfacher und eindeutiger beantwortet, doch die Rechtslage und die Praxis der Finanz- und Gewerbeämter stehen dem entgegen.

Quelle: Dr. Willi Oberlander M.A.
Unternehmensberatung
November 2017

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