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Wirtschaftspsychologe: freiberufliche Unternehmensberatung?

Frage

Ich schließe im kommenden Wintersemester mein berufsbegleitendes Studium Wirtschaftspsychologie B.Sc. an einer deutschen Hochschule ab. Als Ausbildung habe ich vor einigen Jahren IT-Systemkaufmann gelernt. Aus meinem Umfeld ergeben sich nun bereits Anfragen, ob ich z.B. ein Start-up beim Aufbau einer HR-Organisation beraten könnte. Frage 1: Kann ich über Privatrechnungen bis zum Abschluss des Studiums auch Dienstleistungen erbringen, ohne ein Gewerbe anmelden zu müssen (bis zu welcher Grenze)? Frage 2: Zählt mein Studienabschluss zu den freien Berufen auch dann, solange ich hauptberuflich noch als zertifizierter Projektmanager angestellt bin?

Antwort

Für Ihren Zugang zu den freien Berufen sehe ich zwei Wege: Als beratender Betriebswirt oder als Wirtschaftspsychologe.

Beginnen wir mit dem beratenden Betriebswirt. Hier wird für die Freiberuflichkeit zunächst ein bestimmtes Qualifikationsniveau gefordert. Außer der Ausbildung an einer Hochschule kann auch der Abschluss als staatlich geprüfter Betriebswirt genügen. Über diese Anforderung hinaus gilt auch (Zitat) „ein vergleichbares Selbststudium als ausreichend, verbunden mit praktischer Erfahrung, Kenntnissen in allen hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre, die denen vergleichbar sind, die in einem der genannten Ausbildungsgänge üblicherweise erworben werden können. Er muss die fachliche Breite seines Wissens bei seiner praktischen Tätigkeit einsetzen können und auch einsetzen. … Die notwendige Breite der Betätigung ist allerdings schon dann vorhanden, wenn sich die Beratung wenigstens auf einen betrieblichen Hauptbereich der Betriebswirtschaft bezieht (BFH-Urteil vom 18. August 1988 V R 73/83). Nicht ausreichend ist die Tätigkeit, wenn sie sich nur auf einen engen Teilbereich der Betriebswirtschaft bezieht.“ (Zitatende)
Quelle: Urteil vom 14.08.1990, Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Az.: 2 K 57/88

Schwerpunkte der BWL sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs: Unternehmensführung, Leistungserstellung (Fertigung von Gütern/Bereitstellung von Dienstleistungen), Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen. Unschädlich in Bezug ist es, wenn die Dienstleistung auf eine bestimmte Branche beschränkt ist.

HR-Management umfasst das gesamte Personalwesen, würde also der Anforderung genügen, mindestens in einem Hauptbereich der BWL tätig zu sein. Schwieriger ist es bei Ihnen mit der Qualifikation: Als IT-Kaufmann haben Sie eine duale Ausbildung absolviert. Die oben dargestellte Mindestanforderung als staatlich geprüfter Betriebswirt erreichen Sie damit nicht. Dieser Abschluss setzt eine kaufmännische Berufsausbildung voraus sowie mindestens zwölf Monate kaufmännische Berufserfahrung und umfasst zeitlich vier Semester in Vollzeit oder sechs Semester in Teilzeit bzw. 2.400 bis 2.800 Unterrichtsstunden. Sie können diese Lücke wohl auch nicht mit langjähriger Berufserfahrung, Fort- und Weiterbildungen usw. schließen. Folglich müssen Sie davon ausgehen, als gewerblich eingestuft zu werden.

Kommen wir zum Wirtschaftspsychologen: Auch hier gibt es zahlreiche und umfassende Bezüge zum Human Resource Management wie Arbeits- und Organisationspsychologie, Eignungsdiagnostik oder Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre. Dies erscheint jedoch nicht als ausreichend, HR-Projektmanagement aufgrund der fachlichen Breite der Anforderungen wohl als Bestandteil des Berufsbildes des Wirtschaftspsychologen anzusehen. Eine Freiberuflichkeit ist hier zumindest fraglich.

Wäre noch zu klären, ob ein Psychologe mit Hochschulabschluss dem beratenden Betriebswirt ähnlich sein kann (siehe oben). Hierzu hat der Bundesfinanzhof grundsätzlich festgestellt: „Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) macht geltend, die Frage, ob Diplom-Psychologen, die auf dem Gebiet der Unternehmensberatung tätig sind, Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielen, habe grundsätzliche Bedeutung. Dies ist jedoch nicht der Fall.“ BFH, 31.05.2000 - IV B 133/99.
Der Bezug auf den Unternehmensberater soll hier nicht irritieren - es handelt sich um die Feststellung der Ähnlichkeit zum beratenden Betriebswirt im Allgemeinen. Somit scheint Ihnen auch dieser Weg in den freien Beruf verschlossen.

Sollten Sie sich trotz dieser Feststellungen entschließen, dem Finanzamt einen freien Beruf anzuzeigen, so beachten Sie bitte noch das Folgende: Nach vorliegenden Erfahrungen kommt es häufig vor, dass selbstständige Dienstleister dem Finanzamt einen freien Beruf anzeigen und dabei von einer Freistellung vom Gewerbe ausgehen. Oft werden Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung akzeptiert. Betroffene Personen gehen dann ebenso häufig wie fälschlich von einer Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) beim Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit hohen Anforderungen und mit Kosten verbunden.

Unabhängig davon können Sie sich mit dem Finanzamt in Verbindung setzen, das auch eine beratende Funktion hat. Sollten Sie sich auf eine gewerbliche Betätigung verständigen, so hilft Ihnen ein Hinweis auf die Gewerbesteuer: Als Einzelunternehmerin wird Ihnen bei der Gewerbesteuer ein jährlicher Freibetrag von 24.500 Euro auf den Gewinn gewährt.

Ihre hauptberufliche Tätigkeit im Angestelltenverhältnis hat grundsätzlich keinen Einfluss auf den Status als Freiberufler oder Gewerbetreibender. „Privatrechnungen“ in diesem Sinne gibt es nicht. Wenn Sie Ihre Tätigkeit regelmäßig ausüben und Rechnungen stellen, müssen Sie sich zumindest beim Finanzamt melden (Fragebogen zur steuerlichen Erfassung - auch online). Wenn Sie von einem Gewerbe ausgehen müssen, sollten Sie auch dies anmelden.

Zur Existenzgründung von Studierenden informiert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im BMWi-Existenzgründungsportal.

Dort erhalten Sie auch Informationen zu Teilzeit- und Kleingründungen.

Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
Juni 2018

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