Antwort
Im Einkommensteuergesetz wird die beratende Volks- und Betriebswirtin als freier Beruf genannt. Um steuerlich dieser Gruppe zugeordnet zu werden, müssen Sie nach Qualifikation und Tätigkeit den Anforderungen genügen, die insbesondere in der einschlägigen Rechtsprechung gestellt werden.
Diese Rechtsprechung stellt hierzu fest: „Mit der Tätigkeit eines beratenden Betriebswirts ist kein festes Berufsbild verknüpft. Die Rechtsprechung hat als beratenden Betriebswirt denjenigen angesehen, der eine bestimmte Berufsausbildung auf dem Gebiet der Betriebswirtschaft erworben hat. Außer der Ausbildung an einer Universität oder technischen Hochschule mit Diplomabschluss kann diese Ausbildung auch an einer Fachhochschule mit dem Abschluss als graduierter Betriebswirt oder an einer Fachakademie mit dem Abschluss als staatlich geprüfter Betriebswirt erreicht werden. Beratender Volks- und Betriebswirt wird deshalb nur derjenige, der entweder über eine abgeschlossene Ausbildung als Betriebswirt verfügt oder der sich in Form eines vergleichbaren Selbststudiums, verbunden mit praktischer Erfahrung, Kenntnisse in allen hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre angeeignet hat, die denen vergleichbar sind, die in einem der genannten Ausbildungsgänge üblicherweise erworben werden. Er muss die fachliche Breite seines Wissens bei seiner praktischen Tätigkeit einsetzen können und auch einsetzen (vgl. BFH-Urteile vom 18. August 1988 – V R 73/83 BStB1 II 1989, 212; und vom 28. Juni 1989 – I R 114/85 BStB1 II 1989, 956).“
Die notwendige Breite der Betätigung ist schon dann vorhanden, wenn sich die Beratung wenigstens auf einen betrieblichen Hauptbereich der Betriebswirtschaft bezieht (BFH in BFHE 154, 327, BStBI 1989, 212). Schwerpunkte der BWL sind nach der Rechtsprechung des BFH: Unternehmensführung, Leistungserstellung (Fertigung von Gütern/Bereitstellung von Dienstleistungen), Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen.
Inwieweit Ihre Ausbildung zur Fachfrau für Kommunikation der staatlich geprüften Betriebswirtin gleichgestellt wird, muss hier offenbleiben. Sollten Sie über die Akademie einen staatlich anerkannten Abschluss erreicht haben, so wäre dies hilfreich. Ihr Diplom als Übersetzerin spricht ebenfalls für eine hoch qualifizierte Tätigkeit, muss hier jedoch als Ergänzung zu beratenden Aufgabenstellungen gesehen werden. Die langjährige, einschlägige berufliche Praxis ist ein gewichtiges Argument für das Vorliegen eines freien Berufes.
Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen müssen Sie sich einer Einzelfallprüfung unterziehen. Dabei ist keineswegs auszuschließen, dass Ihr Finanzamt Sie als beratende Betriebswirtin einstuft. Nach meiner Erfahrung wäre dies gerechtfertigt. Sie sollten hierzu ein Gespräch mit dem Finanzamt suchen, das auch eine beratende Funktion hat. Beachten Sie bitte unbedingt das Folgende: Akzeptiert das Finanzamt Ihre Dienstleistung als freiberuflich („selbstständig“ im Steuerdeutsch), ist damit keine förmliche Anerkennung verbunden. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes, die mit hohen Anforderungen und auch mit Kosten verbunden ist.
Detaillierte Informationen zum Beratenden Betriebswirt bietet das BMWi-Existenzgründungsportal in der PRAXISHILFE: Beratender Betriebswirt als freier Beruf (PDF, 53 KB).
Die hier getroffenen Feststellungen gelten unabhängig davon, ob Sie direkt für einen Auftraggeber oder indirekt über ein Beratungsunternehmen tätig werden. Im zweiten Fall sollten Sie unbedingt die so genannte „Scheinselbstständigkeit“ beachten. Nähere Informationen hierzu finden Sie im BMWi-Existenzgründungsportal.
Sehen Sie auch zur Gründung im freien Beruf den Infoletter GründerZeiten Nr. 17: Existenzgründungen durch freie Berufe (PDF, 932 KB).
Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
Januar 2020
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