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Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständige: freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit?

Frage

Ich beabsichtige eine nebenberufliche selbständige Tätigkeit als "von der Handwerkskammer öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständige im Elektrotechnikerhandwerk" aufzunehmen. Die Frage, um die es mir geht, ist die, ob es sich nun um eine "freiberufliche Tätigkeit" oder um eine "gewerbliche Tätigkeit" geht.

Verbunden hiermit wäre ja dann noch eine Gewerbeanmeldung nötig. Eine Antwort auf diese Frage, konnte mir mein zuständiges Finanzamt leider auch noch nicht geben bzw. es gilt die Aussage, dass man abwarten möchte, wie sich die Umsätze entwickeln, um dann eine Einstufung vornehmen zu können.

Antwort

Vorab ist anzumerken, dass die von Ihnen beschriebene Vorgehensweise des Finanzamtes nicht unüblich ist. Hintergrund ist, dass sich das Finanzamt zu einem solch frühen Zeitpunkt ungern festlegt und abwartet bis Geschäftsunterlagen, wie etwa erstellte Rechnungen, Gutachten oder sonstige Dokumente zur Durchsicht und Prüfung vorgelegt werden können. Die Höhe des Umsatzes ist dabei ein Indiz für einen umfangreichen Geschäftsbetrieb.

Bezogen auf die von Ihnen geplante Tätigkeit als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger ist festzustellen, dass diese Berufsgruppe nicht eindeutig den Freien Berufen zugeordnet werden kann.

Der Freie Beruf im einkommensteuerlichen Sinne wird in Katalogberufe (z.B. Ingenieure) und den Katalogberufen ähnliche Berufe differenziert. Darüber hinaus zählen hierzu die so genannten Tätigkeitsberufe in Gestalt der wissenschaftlichen, schriftstellerischen, unterrichtenden und erzieherischen Tätigkeit.

Da die Berufsgruppe der Sachverständigen im § 18 Abs.1 Nr. 1 EStG nicht ausdrücklich aufgeführt ist, scheidet ein Freier Beruf in Form eines Katalogberufes aus. Sachverständige können jedoch einkommensteuerlich als freiberuflich eingestuft werden, wenn sie ein abgeschlossenes Ingenieurstudium vorweisen. Ein Sachverständiger ohne Ingenieurstudium muss nachweisen, dass er über die von einem Ingenieur geforderten Sachkenntnisse verfügt (sog. einem Katalogberuf ähnlicher Beruf). Die Rechtsprechung stellt hierbei hohe Anforderungen und setzt voraus, dass der ähnliche Beruf dem Katalogberuf in allen wesentlichen Punkten entspricht (d.h. bezogen auf die Ausbildung, Fortbildung, Berufserfahrung und die Aufgabe). So entschied der Bundesfinanzhof, dass es "für die Erlangung ingenieurmäßiger Kenntnisse zur Ausübung eines ingenieurähnlichen Berufs nicht dargetan ist, wenn die praktische Tätigkeit des Steuerpflichtigen nicht die volle Breite des Ingenieurberufs abdeckt, sondern nur gelegentlich erhebliche mathematische Kenntnisse voraussetzt" (vgl. BFH-Urteil vom 09.07.1992 IV R 116/90, in Abgrenzung zu dem BFH-Urteil vom 31. Juli 1980 I R 66/78, BFHE 132, 22, BStBl II 1981, 121, unter I.2.c)). Auch wurde entschieden, dass derjenige, der "im Wesentlichen auf dem Gebiet der Schadensbegutachtung tätig ist, keinen ingenieurähnlichen Beruf ausübt, da die Erstellung sog. Schadensgutachten keine - auch keine spezialisierte - Ingenieurtätigkeit darstellt." Werden daneben auch Gutachten über Schadensursachen erstellt, "so muss die derart qualifizierte Tätigkeit und die hiermit zusammenhängende Beschäftigung überwiegen, um die Gesamtbeschäftigung zu prägen und als ingenieurähnlich erscheinen zu lassen" (BFH-Urteil vom 12.12.1991 IV R 65-67/89).

Wie Sie sehen, ist die Einstufung, ob es sich bei Ihrer Tätigkeit um einen Freien Beruf handelt, nicht einfach und vom Einzelfall abhängig. Treffen die obigen Anforderungen nicht auf Sie zu, müssten Sie von einer gewerblichen Sachverständigentätigkeit ausgehen. In diesem Fall müssen Sie Ihre Tätigkeit beim zuständigen Gewerbeamt anmelden. Die Kosten betragen gemeindeabhängig zwischen 15 und 60 Euro. Handelt es sich um einen Freien Beruf, so erfolgt die Anmeldung beim zuständigen Finanzamt mittels Fragebogen zur steuerlichen Erfassung: www.formulare-bfinv.de

Die freiberufliche Tätigkeit muss dem Finanzamt spätestens innerhalb eines Monats nach Aufnahme mitgeteilt werden.

Beachten Sie bitte: unabhängig von der einkommensteuerlichen Einstufung Ihrer Tätigkeit besteht für Sie ein hohes Haftungsrisiko. Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung ist daher dringend zu empfehlen! Nähere Informationen zu den Versicherungen erhalten Sie anhand der BMWi-Publikation GründerZeiten Nr. 05: Versicherungen (PDF, 790  KB)

Weitere Informationen zur Existenzgründung finden Sie in der BMWi-Publikation GründerZeiten Nr. 17: Existenzgründungen durch freie Berufe (PDF, 932  KB) sowie weitere Ausgaben der "GründerZeiten" unter www.existenzgruender.de

Quelle: Chanell Eidmüller
Rechtsanwältin
Leiterin der Gründungsberatung
Institut für Freie Berufe an der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg e.V. (IFB)
November 2015

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