Antwort
Nach dem Einkommensteuergesetz ist eine Angehörige eines freien Berufs auch dann freiberuflich tätig, wenn sie sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient. Dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sie aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Unter fachlich vorgebildeten Arbeitskräften sind hier nicht nur Angestellte, sondern auch Subunternehmer und freie Mitarbeiter zu verstehen. In der beruflichen Praxis muss die Tätigkeit der Freiberuflerin durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung geprägt sein.
Auf dieser Grundlage hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass keine freiberufliche, sondern eine insgesamt gewerbliche Tätigkeit vorliegt, wenn ein Freiberufler andere Freiberufler (oder Gewerbetreibende) als Subunternehmer beschäftigt. Zur Begründung wurde ausgeführt (Zitat): „Eine aufgrund eigener Fachkenntnisse eigenverantwortliche Tätigkeit liegt nur vor, wenn die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. Die Eigenverantwortlichkeit erschöpft sich nicht darin, nach außen die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des einzelnen Auftrags zu tragen. Die Ausführung jedes einzelnen Auftrags muss vielmehr dem Steuerpflichtigen selbst und nicht den qualifizierten Mitarbeitern zuzurechnen sein. Es genügt daher nicht eine gelegentliche fachliche Überprüfung der Mitarbeiter (…). Die Tatbestandsmerkmale „leitend“ und „eigenverantwortlich“ stehen selbständig nebeneinander (…). Auch eine besonders intensive leitende Tätigkeit, zu der u.a. die Organisation des Sach- und Personalbereichs, Arbeitsplanung, Arbeitsverteilung, Aufsicht über Mitarbeiter und deren Anleitung und die stichprobenweise Überprüfung der Ergebnisse gehören, vermag daher die eigenverantwortliche Tätigkeit nicht zu ersetzen.“ (Zitatende)
Bundesfinanzhof BFH, Urteil vom 20. Dezember 2000, XI R 8/00
Die Rechtsprechung hat in mehreren Urteilen zur Eigenverantwortlichkeit eine Reihe von Kriterien dargelegt. Im Kern kommt es nicht nur darauf an, wie der Freiberufler nach außen in Erscheinung tritt (insbesondere als alleiniger Auftragnehmer/Generalunternehmer). Entscheidend ist, ob die erbrachte Leistung den „Stempel seiner Persönlichkeit“ trägt. Obwohl es in der Rechtsprechung keine eindeutige Bestimmung darüber gibt, wo die Eigenverantwortlichkeit aufhört, müssen Sie also hier von einer gewerblichen Tätigkeit ausgehen. Positiv formuliert kann man auch feststellen, dass Sie zwar Leistungen Dritter im Rahmen Ihrer eigenen Dienstleistung „zukaufen“ können, dies aber wohl im Rahmen eines Gewerbes tun müssen.
Kommen wir zu Ihrer Dienstleistung als Marketing-Beraterin: Hier wird für die Freiberuflichkeit - als beratende Betriebswirtin nach dem Einkommensteuergesetz - zunächst ein bestimmtes Qualifikationsniveau gefordert. Über diese Anforderung hinaus gilt auch (Zitat) „ein vergleichbares Selbststudium als ausreichend, verbunden mit praktischer Erfahrung, Kenntnissen in allen hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre, die denen vergleichbar sind, die in einem der genannten Ausbildungsgänge üblicherweise erworben werden können. Er muss die fachliche Breite seines Wissens bei seiner praktischen Tätigkeit einsetzen können und auch einsetzen. … Die notwendige Breite der Betätigung ist allerdings schon dann vorhanden, wenn sich die Beratung wenigstens auf einen betrieblichen Hauptbereich der Betriebswirtschaft bezieht (BFH-Urteil vom 18. August 1988 V R 73/83). Nicht ausreichend ist die Tätigkeit, wenn sie sich nur auf einen engen Teilbereich der Betriebswirtschaft bezieht.“ (Zitatende)
Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.08.1990, Az.: 2 K 57/88
Schwerpunkte der BWL sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs: Unternehmensführung, Leistungserstellung (Fertigung von Gütern/Bereitstellung von Dienstleistungen), Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen. Erfahrungsgemäß werden Marketing-Fachleute wegen der Breite der damit verbundenen Anforderungen eher den freien Berufen zugeordnet (eine einheitliche Linie der Finanzverwaltung ist leider nicht erkennbar). Ob allerdings hierfür eine ausreichende Qualifikation vorliegt, ist bei Nichtvorliegen eines relevanten Hochschulabschlusses oder der Qualifikation als staatlich geprüften Betriebswirts im Einzelfall zu prüfen. Unschädlich in Bezug ist es, wenn - wie bei Ihnen - die Dienstleistung auf eine bestimmte Branche beschränkt ist.
Beachten Sie bitte noch das Folgende: Nach vorliegenden Erfahrungen kommt es häufig vor, dass selbstständige Dienstleister dem Finanzamt einen freien Beruf anzeigen und dabei von einer Freistellung vom Gewerbe ausgehen. Oft werden Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung akzeptiert. Betroffene Personen gehen dann ebenso häufig wie fälschlich von einer Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) beim Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit hohen Anforderungen und mit Kosten verbunden. Nach meiner Erfahrung sollte Ihre Qualifikation - insbesondere die 20 Jahre als Marketingleiterin - für eine Zuordnung zu den freien Berufen ausreichen.
Gehen wir also davon aus, dass Ihre Dienstleistung als Marketing-Beraterin freiberuflich ist, so könnte eine „trennbar gemischte Tätigkeit“ vorliegen. Hierbei übt eine Einzelfreiberuflerin sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, wobei diese steuerlich getrennt zu behandeln sind. Dies ist aber nur der Fall, wenn zwischen den beiden Bereichen kein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Für eine getrennte Behandlung sind getrennte Rechnungsstellung und Buchführung erforderlich sowie separate Bank- und Kassenkonten. Betriebsausgaben sind durch Schätzung aufzuteilen. Wenn Ihre gewerblichen und freiberuflichen Tätigkeiten also getrennt in Rechnung gestellt und verbucht werden können, haben Sie auch getrennte Erfassungen bei der Steuer. In der Praxis könnten Sie also Aufträge, die Sie ohne Subunternehmer bearbeiten, als freiberuflich zu versteuern und die Aufträge mit Einbindung Dritter als gewerblich deklarieren.
Quelle: Dr. Willi Oberlander M.A.
Unternehmensberatung
November 2017
Tipps der Redaktion: