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Dozentin zu Gesundheitsfragen: freiberufliche beratende Tätigkeit?

Frage

Ich biete als Sozialwissenschaftlerin und Sozialpädagogin hauptberuflich Kurse, Seminare und Einzeltrainings basierend u.a. auf den Verfahren MBSR und Autogenes Training an. Inhaltlicher Schwerpunkt: Stressbewältigung. Wenn ich als Dozentin zum Thema z.B. auf Gesundheitstagen referiere, kann das als freiberufliche beratende Tätigkeit gelten? In der PRAXISHILFE: Lehrende, Trainer und Coaches – freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit? (PDF, 101  KB) heißt es: „Wissen, Fähigkeiten oder Fertigkeiten werden in fachlich strukturierter, in institutionalisierter und organisierter Form an Schülerinnen und Schüler vermittelt. Organisiert und institutionalisiert bedeutet, dass alle Unterrichtsteilnehmer ein einheitliches Verfahren durchlaufen und zum Beispiel an Prüfungen teilnehmen, die einer allgemein gültigen Form unterliegen.“ Das kann ja auf Dozenten nicht zutreffen, da Vorträge immer individuell erarbeitet werden. Gilt da das Maß an kreativer Schöpfungskraft, die notwendig ist? Welche Paragraphen helfen zur rechtlichen Einordnung? Inwieweit kann die Abwesenheit einer Prüfung trotzdem auf unterrichtende Tätigkeit schließen lassen? Reicht das Lernziel „Erlernen einer Entspannungsmethode ohne Prüfung“ aus, um als unterrichtende Tätigkeit zu gelten?

Antwort

Unterricht ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen in organisierter und institutionalisierter Form. In der „Praxishilfe“ des BMWi sind die allgemeingültigen Prüfungen nur als Beispiel dafür genannt, wie ein einheitliches Lernen für Gruppen in der Praxis aussehen kann. Sie können also auch ein eigenes Lernprogramm entwickeln - in welcher Form auch immer (Vortrag, Seminar, Workshop usw.) - und damit die Anforderungen an die unterrichtende Tätigkeit erfüllen.

Von diesen unterrichtenden Tätigkeiten nach dem Einkommensteuerrecht ist Individualunterricht nicht ausgeschlossen. Werden jedoch die Kenntnisse nicht auf der Grundlage eines allgemein gültigen, im Einzelfall abwandlungsfähigen Lernprogramms vermittelt, sondern erfordert die Tätigkeit die Erarbeitung und Entwicklung eines auf die speziellen Bedürfnisse einer Person abgestellten Programms, handelt es sich nicht mehr um eine Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form, sondern um eine beratende Tätigkeit.

Als Sozialwissenschaftlerin und Sozialpädagogin können Sie davon ausgehen, dass auch die Beratung einzelner Personen zur Stressbewältigung als freiberuflich anzusehen ist. Zu begründen ist dies mit der Ähnlichkeit zum Beruf der Psychologin. Da Sie keinen Heilberuf ausüben und auch aus gewerberechtlicher Sicht eine Dienstleistung höherer Art vorliegt, können Sie den freien Berufen im Sinne des Einkommensteuerrechts zugeordnet werden.

Nach meiner langjährigen Erfahrung ist die Praxis der Finanzämter hier zwar nicht einheitlich, doch werden Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialpädagoginnen (Sozialarbeiterinnen) mit Hochschulabschluss mit derartigen Dienstleistungen als Freiberuflerinnen akzeptiert. Dazu ist allerdings festzustellen, dass eine formale Anerkennung des Finanzamtes nur mittels einer so genannten „verbindlichen Auskunft“ gegeben ist.

Einschränkend ist ein Urteil des Finanzgerichts Köln zu zitieren, das zu einem anderen Ergebnis kommt (Finanzgericht Köln, 15-K-243/14, Urteil vom 01.06.2017). Demnach ist eine Diplomsozialarbeiterin bei der Betreuung behinderter und suchtkranker Menschen gewerblich tätig. Nun erscheint dieses Urteil nicht als der Weisheit letzter Schluss, da die Ähnlichkeit zu Diplom- Psychologen offenbar nicht (hinreichend) berücksichtigt wurde. Jedoch muss davon ausgegangen werden, dass die Finanzämter darauf Bezug nehmen. Sie sollten in jedem Fall mit Ihrem Finanzamt sprechen und den Status der Freiberuflerin auch für Ihre klientenspezifischen Dienste reklamieren! Es gilt der Grundsatz der Einzelfallprüfung, Urteile sind in der Regel nur bedingt auf andere Sachverhalte übertragbar!

Diese Feststellungen wurden insbesondere auf der Grundlage der Rechtsprechung getroffen. Hierzu wird wiederum auf die von Ihnen zitierte „PRAXISHILFE Lehrende, Trainer und Coaches“ verwiesen.

Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
November 2018

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