Antwort
Es ist zu prüfen, inwieweit Sie den Anforderungen an die beratende Volks- und Betriebswirtin genügen, die hier als Referenzberuf für den Zugang zum freien Beruf anzusehen ist.
Dem Berufsbild der beratenden Betriebswirtin ist nach dem Verständnis des Einkommensteuerrechts und der einschlägigen Rechtsprechung eine Tätigkeit nur dann ähnlich, wenn sie auf einer entsprechend breiten Vorbildung beruht und wenn sich die Beratungstätigkeit auf einen breiten betrieblichen Bereich erstreckt. Die notwendige Breite der Betätigung ist schon dann vorhanden, wenn sich die Beratung wenigstens auf einen betrieblichen Hauptbereich der Betriebswirtschaft bezieht (Bundesfinanzhof in BFHE 154, 327, BStBl 1989, 212). Schwerpunkte der BWL sind nach der Rechtsprechung des BFH: Unternehmensführung, Leistungserstellung (Fertigung von Gütern/Bereitstellung von Dienstleistungen), Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen.
Das BMWK informiert ausführlich zum freien Beruf der beratenden Betriebswirtin in der Broschüre PRAXISHILFE: Beratender Betriebswirt als freier Beruf.
Schwerpunkte des Studiums in Nürnberg mit unmittelbarem Bezug zu BWL und VWL waren und sind Betriebswirtschaftslehre mit Rechnungswesen und speziellen Betriebswirtschaftslehren, Volkswirtschaftslehre mit Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Finanzwissenschaft sowie Rechtswissenschaft mit Öffentlichem Recht, Privatrecht, Arbeitsrecht und Sozialrecht. Mittelbar kommen hinzu insbesondere für das Personalwesen Psychologie, Pädagogik und Kommunikationswissenschaften. Statt des von Ihnen erworbenen Abschlusses als Diplom-Sozialwirtin (Univ.) werden heute Bachelor- und Masterstudiengänge in Sozialökonomik angeboten. Dies ändert an dem hier fraglichen Sachverhalt nichts. Die gelehrten Inhalte erscheinen nach Art und Umfang geeignet, eine ausreichende Qualifikation im Sinne der hier geltenden Vorschriften zu begründen. Aus übergeordneter Anschauung entspricht diese Feststellung offenbar dem Willen des Gesetzgebers.
Hinzu kommt bei Ihnen eine breit angelegte einschlägige Berufserfahrung. Ein Vorbehalt besteht darin, dass die Finanzverwaltung Schwierigkeiten mit der Beurteilung von Studiengängen hat, die dort nicht eindeutig zugordnet werden können.
Es gilt der Grundsatz der Einzelfallprüfung. Hier ist eine Absprache mit dem Finanzamt zu empfehlen, das auch eine beratende Funktion hat. Bedenken Sie dabei bitte, dass eine formelle Anerkennung als Freiberuflerin nur in Form einer so genannten „verbindlichen Auskunft“ erfolgt!
Quelle:
Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
Stand:
Februar 2020