Antwort
Wirtschaftsingenieure sind freiberuflich tätig, wenn sie auf einem Hauptgebiet des Ingenieurwesens oder auf zumindest einem Hauptgebiet der Betriebswirtschaftslehre tätig sind (vgl. BFH, Urteil. vom 06.09.2006 - XI R 3 / 06). Denn derjenige, der ein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens erfolgreich absolviert hat, verfügt über eine für einen Ingenieur, beratenden Betriebs-, ggf. auch Volkswirt i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG notwendige Ausbildung. Ein Diplom-Wirtschaftsingenieur kann demnach, sofern er Beratungsleistungen in wenigstens einem Hauptbereich der Betriebswirtschaftslehre erbringt, als beratender Betriebswirt i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG angesehen werden oder zumindest einen ähnlichen Beruf ausüben. Nach der Rechtsprechung des BFH übt derjenige den Beruf des beratenden Betriebswirts aus, der nach einem entsprechenden Studium, verbunden mit praktischer Erfahrung, mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft vertraut ist und diese fachliche Breite seines Wissens auch bei seinen praktischen Tätigkeiten einsetzen kann und tatsächlich einsetzt. Die an die fachliche Breite der Beratungstätigkeit gestellten Anforderungen sind auch dann noch erfüllt, wenn die Beratung wenigstens einen Hauptbereich der Betriebswirtschaftslehre umfasst (BFH v. 16. 1. 1974, I R 106/72, BFHE 111, 316, BStBl II, 293, DStR 1974, 286; v. 25. 4. 1978, VIII R 149/74, BFHE 125, 369, BStBl II, 565, DStR 1978, 653; in BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27, DStR 2002, 2163).
„Die Betriebswirtschaftslehre umfasse in der Regel folgende Hauptgebiete wie Investition und Finanzierung, Bankwesen, betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Wirtschaft, Marktforschung, Werbung und Verkauf, Buchführung, Handels- und Steuerbilanzen, Kostenrechnung einschließlich Plankostenrechnung und Betriebsstatistik, Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Arbeits- und Wirtschaftsstrafrecht, Mathematik einschließlich Wirtschaftsmathematik, Operations Research, Lagerhaltung, Materialwirtschaft, Transport und Produktion, Netzplantechnik, Kapazitäts-, Zeit- und Kostenplanung, Datenverarbeitung, Wirtschaftsinformatik, Programmiersprache, Personal und Ausbildungswesen, Berufs- und Arbeitspädagogik und Volkswirtschaftslehre.“ (Quelle: Wotschofsky/Hüsing: Zur Gewerblichkeit freiberuflich Tätiger am Beispiel des Unternehmensberaters, in Stbg 1999 Nr. 7, Seite 332.)
An Ihren fachlichen Voraussetzungen (erfolgreicher Absolvent eines Studiums des Wirtschaftsingenieurwesens) bestehen offensichtlich keine Bedenken. Allerdings ist fraglich, ob Ihr Vorhaben die oben genannten Anforderungen an die Beratungstätigkeit erfüllt. Gemeint ist, ob Ihre Tätigkeit einem Hauptbereich der BWL zugeordnet werden kann sowie, ob es sich tatsächlich um eine beratende Tätigkeit handelt. Zweifel könnten sich daraus ergeben, dass sich Ihre Beratungstätigkeit darauf „beschränkt“, dem Lizenznehmer das Recht einzuräumen, den Lizenzgegenstand zu verändern, zu verkaufen und daraus abgeleitete Produkte und Dienstleistungen zu erstellen. Hierfür sollen Sie am Ende eine Erlösbeteiligung erhalten.
Ein weiterer Ansatzpunkt für eine Freiberuflichkeit wäre die Tätigkeit des Erfinders. Sofern die Erfindertätigkeit nachhaltig ist, können Einkünfte aus einer selbstständig ausgeübten wissenschaftlichen Tätigkeit als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit angesehen werden (vgl. BFH Beschl. vom 11.04.2003 - BFH Aktenzeichen IV B 170/01. Auch Lizenzeinnahmen aus der Übertragung des Erfinderrechts an den Lizenznehmer stellen Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit dar (vgl. BFH Urteil vom 18.10.1989 - I R 126/88). Jedoch ist fraglich, ob Ihre Lizenz auf einer Erfindung und einer wissenschaftlichen Vorgehensweise beruht. „Nach der Rechtsprechung des BFH ist Voraussetzung für die Bejahung einer wissenschaftlichen Tätigkeit, dass eine hochstehende, besonders qualifizierte Beschäftigung ausgeübt wird, die der Forschertätigkeit vergleichbar ist. Es muss eine schwierige Aufgabe nach wissenschaftlichen Grundsätzen, d.h. nach streng sachlichen und objektiven Grundsätzen zu lösen versucht werden.“ (vgl. BFH, Urteil vom 29.04.1993 - IV R 61/92).
Die Einstufung Ihres Vorhabens als Freier Beruf - Gewerbe fällt offensichtlich nicht ganz leicht und ist stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Vor der Anmeldung der Selbstständigkeit empfehle ich Ihnen eine eingehende Steuerberatung vor Ort in Anspruch zu nehmen. Im Beratungsgespräch können nochmals die Einzelheiten, im Besonderen Ihre konkrete Art der Tätigkeit sowie das Vergütungsmodell besprochen und überprüft werden. Die abschließende Entscheidung obliegt sodann dem Finanz- bzw. Gewerbeamt.
Der unentgeltliche bundesweite "Steuerberater-Suchservice" des Deutschen Steuerberaterverbandes unter www.steuerberater-suchservice.de hilft Ihnen bei der Suche nach einem geeigneten Steuerberater. Eine weitere kostenlose Steuerberatersuche bietet die Bundessteuerberaterkammer unter www.bstbk.de
Quelle: Chanell Eidmüller
Rechtsanwältin
Leiterin der Gründungsberatung
Institut für Freie Berufe an der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg e.V. (IFB)
Februar 2017
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