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Beratung, Vorträge, Coaching: freiberufliche Tätigkeiten?

Frage

Ich habe 20 Jahre im Einzelhandel gearbeitet und eine kaufmännische Ausbildung. Folgende Tätigkeiten/Dienstleistungen werde ich anbieten: 1. Marketingkommunikation und Verkauf: Beratung und Optimierung sowie Erstellung von Strategie und Konzept 2. Workshops als Dozentin für VHS, IHK und in Unternehmen 3. Einzelcoachings rund um das Thema Verkauf. Als Verkaufstrainerin und Marketingkommunikationsberaterin bin ich grundsätzlich lehrend und kreativ schöpferisch tätig.

Antwort

Zunächst sollten Sie beachten, dass eine freiberufliche Einstufung von diversen Faktoren abhängig ist. Dabei ist neben Ihrer Ausbildung auch die konkrete Dienstleistung, die Sie anbieten möchten, als relevantes Kriterium zu nennen. Deshalb werde ich nachstehend getrennt auf die einzelnen Punkte eingehen und anhand der Informationen Ihrer Anfrage verschiedene Möglichkeiten näher erläutern, die u.U. einen Zugang zur Freiberuflichkeit ermöglichen.

Zu 1. Eine beratende Tätigkeit könnte durch den Katalogberuf des beratenden Volks- und Betriebswirts (vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) freiberuflich begründet sein.

Hierbei gilt zu beachten, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur derjenige den Beruf des beratenden Betriebswirts ausübt, der folgende Voraussetzungen erfüllt:

  • Erwerb eines entsprechenden Hochschulabschlusses,
  • praktische Arbeitserfahrung,
  • Anwendung seines Wissens aus den Kernbereichen der Betriebswirtschaft in Breite und Tiefe bei der praktischen Tätigkeit (vgl. BFH, Beschl. vom 30.06.2008 - VIII B 182/07 (NV), BFH IV R 51/99 v. 4.5.00).

Darüber hinaus kann auch derjenige, der eine vergleichbare Qualifikation mitbringt und seine Kenntnisse aus den Kernbereichen der Betriebswirtschaftslehre in Breite und Tiefe im Rahmen seiner Tätigkeiten einsetzt vom Finanzamt als zum beratenden Volks- und Betriebswirt vergleichbar angesehen werden. Um eine vergleichbare Qualifikation zu begründen, muss schlüssig dargelegt werden, dass man über einen Wissensstand verfügt, der den Inhalten eines volkswirtschaftlichen bzw. betriebswirtschaftlichen Studiums entspricht. In Ihrem Fall würde es bedeuten, dass Sie prüfen müssten, inwiefern Sie die genannten Voraussetzungen des beratenden Volks- und Betriebswirts durch Ihre Qualifikation mitbringen und inwieweit Ihre geplanten Tätigkeiten typisch für die eines beratenden Volks- und Betriebswirtes sind.

Da Sie auch von der „Optimierung sowie Erstellung von Strategie und Konzept“ sprechen, sei die Rechtsprechung zum Interimsmanager erwähnt. Diese besagt, dass die unmittelbare Teilhabe an der Implementierung von Beratungsergebnissen in die betriebliche Praxis weit über das Berufsbild des beratenden Betriebswirtes hinausreicht. Deshalb wird der Interimsmanager in der Regel als gewerblich eingestuft. Somit wäre eine reine Strategieerstellung unproblematisch, eine Umsetzung und Implementierung der empfohlenen Strategie könnte jedoch zu einer gewerblichen Einstufung führen.

Zu 2. Bei der Tätigkeit als Dozentin für VHS, IHK und in Unternehmen könnte die Einstufung der Freiberuflichkeit gegeben sein, wenn es sich um eine sog. „unterrichtende Tätigkeit“ (vgl. §18 EStG) handelt. Voraussetzung für die freiberufliche Einstufung ist, dass Sie Ihr Wissen in organisierter und institutionalisierter Form vermitteln (vgl. BFH-Urteile vom 13.Januar 1994 IV R 79/92, BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362, und vom 18. April 1996 IV R 35/95, BFHE 180, 568, BStBl II 1996, 573). Im Zusammenhang mit der unterrichtenden Tätigkeit ist zu beachten, dass die Finanzämter die Einstufung der Freiberuflichkeit zunehmend strenger auslegen. Dies gilt v.a. wenn für die konkrete Art des Unterrichts keine besondere Qualifikation erforderlich ist und somit die Erbringung einer höherwertigen Dienstleistung, welche für die Freiberuflichkeit charakteristisch ist, nicht besteht. Hintergrund ist ein Gerichtsurteil (Oberverwaltungsgericht NRW, 4 A 4077/00), welches besagt, dass nur unterrichtende Personen, die eine Dienstleistung höherer Art erbringen, als Freiberufler einzustufen sind. In diesem Fall ist es erforderlich anhand der eigenen Qualifikationen zu argumentieren.

Zu 3. Sollten Sie als Coach tätig sein, könnte auch eine unterrichtende Tätigkeit vorliegen, die eine Freiberuflichkeit begründen kann. Vorausgesetzt es handelt sich um eine unterrichtende Tätigkeit, wäre es dabei irrelevant, ob es sich um Einzel- oder Gruppenunterricht handelt (vgl. Urteile in BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362, und in BFHE 180, 568, BStBl II 1996, 573). Die Voraussetzungen hierfür entnehmen Sie bitte aus Punkt 2. Zur Abgrenzung zum Unterricht sollte geprüft werden, inwieweit vorab ein individualisiertes Konzept entwickelt wird. Dann handelt es sich unter Umständen nicht mehr um Unterricht, sondern um eine beratende Tätigkeit. Eine Beratung im Bereich Verkauf und Marketing wäre nur dann freiberuflich, wenn Sie den in Punkt 1 ausgeführten Voraussetzungen entspricht.

Je nachdem, ob Ihre Tätigkeit eher einen unterrichtenden Coaching-Charakter oder eine klassische Unternehmensberatung beinhaltet, wäre zu prüfen, ob Sie die jeweils an die freiberufliche Tätigkeit geknüpften Voraussetzungen erfüllen. Es ist anzumerken, dass eine Freiberuflichkeit stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist. Beachten Sie hierbei, dass die endgültige Entscheidung, ob Ihre Tätigkeit eine Freiberuflichkeit begründet oder nicht, allein dem zuständigen Finanzamt obliegt. Bitte beachten Sie, dass die Anerkennung Ihrer Anmeldung der freiberuflichen Tätigkeit keine verbindliche Einstufung seitens des Finanzamtes darstellt. Erst im Rahmen einer Betriebsprüfung stuft das Finanzamt Ihren Status (freiberuflich vs. gewerblich) verbindlich ein.

Abschließend möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Lehrer, die regelmäßig mehr als 450 Euro monatlich verdienen (auch nebenberuflich), gesetzlich rentenversicherungspflichtig sind. Beachten Sie, dass auch selbstständige Coaches durchaus als Lehrer gelten können. Weitere Informationen bietet die Deutsche Rentenversicherung zum Thema „Versicherungspflichtige Selbstständige“.

Quelle: Hamid Rezai
Institut für Freie Berufe an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg e.V. (IFB)
Gründungsberatung
www.ifb.uni-erlangen.de
September 2019

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