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Kroatischer Web-Projektmanager: selbständig in Deutschland?

Frage

Mein Freund arbeitet momentan für ein kroatisches Unternehmen und möchte nun alle seine Pflichten (Krankenkasse, Steuern etc.) nach Deutschland verlegen. Er ist als Projektmanager/Consultant die Schnittstelle zwischen Kunde und Developer tätig - aber generell Web-Projektmanager PMO (Project Management Office). Wird er mit seiner Tätigkeit als Freelancer zugelassen oder doch eher ein Gewerbe anmelden müssen? Sein Stundensatz würde dem kroatischen entsprechen und nicht dem deutschen. Er würde für zwei bis drei Firmen tätig sein. Er hat zwar keinen Studienabschluss, jedoch zehn Jahre Berufserfahrung im PMO-Bereich.

Antwort

Beschränkungsmaßnahmen für Zuwanderer aus jüngeren Mitgliedstaaten der EU wie Kroatien gelten NICHT hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit. Dies ist natürlich nur relevant, wenn Ihr Freund Kroate ist. Er kann folglich in jedem Fall in Deutschland gewerblich oder freiberuflich selbstständig tätig werden. Um den freien Berufen zugeordnet zu werden, muss seine beratende Tätigkeit den Anforderungen an den Beruf des beratenden Betriebswirtes entsprechen.

Die Rechtsprechung stellt hierzu fest: „Mit der Tätigkeit eines beratenden Betriebswirts ist kein festes Berufsbild verknüpft. Die Rechtsprechung hat als beratenden Betriebswirt denjenigen angesehen, der eine bestimmte Berufsausbildung auf dem Gebiet der Betriebswirtschaft erworben hat. Außer der Ausbildung an einer Universität oder technischen Hochschule mit Diplomabschluß kann diese Ausbildung auch an einer Fachhochschule mit dem Abschluß als graduierter Betriebswirt oder an einer Fachakademie mit dem Abschluß als staatlich geprüfter Betriebswirt erreicht werden. Beratender Volks- und Betriebswirt wird deshalb nur derjenige, der entweder über eine abgeschlossene Ausbildung als Betriebswirt verfügt oder der sich in Form eines vergleichbaren Selbststudiums, verbunden mit praktischer Erfahrung, Kenntnisse in allen hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre angeeignet hat, die denen vergleichbar sind, die in einem der genannten Ausbildungsgänge üblicherweise erworben werden. Er muß die fachliche Breite seines Wissens bei seiner praktischen Tätigkeit einsetzen können und auch einsetzen (vgl. BFH-Urteile vom 18. August 1988 - V R 73/83 BStB1 II 1989, 212; und vom 28. Juni 1989 - I R 114/85 BStB1 II 1989, 956).“

Dem Berufsbild des beratenden Volks- und Betriebswirts ist ein Beruf also nur dann ähnlich, wenn er auf einer entsprechenden breiten Vorbildung beruht und wenn sich die Beratungstätigkeit auf einen vergleichbaren breiten betrieblichen Bereich erstreckt. Die notwendige Breite der Betätigung ist schon dann vorhanden, wenn sich die Beratung wenigstens auf einen betrieblichen Hauptbereich der Betriebswirtschaft bezieht (BFH in BFHE 154, 327, BStBl. 1989, 212). Schwerpunkte der BWL sind nach der Rechtsprechung des BFH: Unternehmensführung, Leistungserstellung (Fertigung von Gütern/Bereitstellung von Dienstleistungen), Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen.

Da das Aufgabenspektrum von PMOs sehr vielfältig ist - vom Support für einzelne Projekte, der Gestaltung von Projektinfrastrukturen auf Führungsebene bis hin zur Unterstützung von Projektleitern -, ist im Einzelfall zu prüfen, inwieweit nach Qualifikation und Tätigkeit eine Ähnlichkeit mit dem beratenden Betriebswirt in der oben skizzierten Form vorliegt. Da ein relevantes Studium nicht gegeben ist, müssen Fort- und Weiterbildungen, Berufserfahrung, Referenzen usw. als Nachweise der Vergleichbarkeit herangezogen werden. Im Zweifelsfall hilft eine Verständigung mit dem Finanzamt, das auch eine beratende Funktion hat.

Beachten Sie bitte noch das Folgende: Nach vorliegenden Erfahrungen kommt es häufig vor, dass selbstständige Dienstleister dem Finanzamt einen freien Beruf anzeigen und dabei von einer Freistellung vom Gewerbe ausgehen. Oft werden Anmeldungen von (vermeintlichen) Freiberuflern bei den Finanzämtern ohne nähere Prüfung akzeptiert. Betroffene Personen gehen dann ebenso häufig wie fälschlich von einer Anerkennung als Freiberufler aus. Wenn Sie sich trotz Unsicherheit als freiberuflich (im Steuerdeutsch: selbstständig) beim Finanzamt anmelden, so ist dies unschädlich, so lange nicht eine Betriebsprüfung nachträglich ein Gewerbe feststellt. Eine Sicherheit für die Einstufung als Freiberufler im steuerlichen Sinne gibt nur die so genannte „verbindliche Auskunft“ des Finanzamtes. Eine derartige Festlegung der Finanzverwaltung ist jedoch mit hohen Anforderungen und mit Kosten verbunden.

Hier noch eine Anmerkung zum Begriff des Freelancers: Dabei handelt es sich um nichts Anderes als freie Mitarbeiter, die sowohl gewerblich als auch freiberuflich tätig sein können.

Unterstützung erhalten Sie unter anderem von der Deutsch-Kroatischen Industrie- und Handelskammer (AHK Kroatien)
Strojarska cesta 22/11
10000 Zagreb, Kroatien
Tel.: +385 (0)1 6311 600, Fax: +385 (0)1 6311 630
E-Mail: info(at)ahk.hr, Internet: http://kroatien.ahk.de/

Informationen für Gründer/innen mit Migrationshintergrund bietet das BMWi unter http://www.existenzgruender.de/DE/Service/Beratung-Adressen/Linksammlung/Gruender-innen-Migrationshintergrund/inhalt.html

Quelle: Dr. Willi Oberlander
Unternehmensberatung
Juni 2018

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