Wohlverhaltensphase: Neben- in Haupterwerbstätigkeit umwandeln?
Frage
Ich bin gerade kurz vor der Wohlverhaltensphase, meine Rechtsanwältin hat es schon angekündigt, dass es bald soweit ist. Wir hatten auch schon darüber gesprochen, dass ich mich nebenberuflich selbständig machen will und sie hat mir zugesagt, dass das Gewerbe (voraussichtlich) freigestellt wird. Soweit, so gut. Wenn ich nun, sagen wir in drei Monaten das Gewerbe zu einer hauptberuflichen Tätigkeit ausbaue, wie muss ich vorgehen? Muss ich erst fragen, ob ich darf? Kann ich dann nach der Strategie "fiktives Gehalt" vorgehen? Muss das dann wieder extra freigestellt werden?
Soweit ich das bisher verstanden habe, gilt diese Verfahrensweise mit dem fiktiven Gehalt ja erst wenn man in der Wohlverhaltensphase ist, oder? Vorher muss man alles abliefern, was vom Gewinn über den pfändbaren Betrag geht. Könnte man auch mehrere Gewerbe anmelden oder müssen alle Geschäftszweige unter einem Dach betrieben werden? Geplant ist im ersten Schritt ein nebenberuflicher Kosmetikvertrieb, dann kommt eine GbR zum Betrieb eines kleinen Hotels dazu (mein Anteil 20%) und dann könnte ich meinen jetzigen Hauptberuf im Außendienst von angestellt auf Handelsvertreter umstellen.
Antwort
Üben Sie im Verfahrensabschnitt "Insolvenzverfahren" (also vor Beginn der Wohlverhaltensperiode) eine selbständige Tätigkeit aus, so sind Sie zur Zahlung des fiktiven Pfändungsbetrages verpflichtet, sobald der Insolvenzverwalter / Treuhänder Vermögen oder Einnahmen aus dieser Tätigkeit aus der Insolvenzmasse freigegeben hat. Nehmen Sie nun eine weitere selbständige Tätigkeit auf, so gehören die Einnahmen aus der weiteren Tätigkeit wieder vollständig zur Masse, können also vom Verwalter eingezogen und verwertet werden, solang die Einnahmen aus dieser Tätigkeit nicht ebenfalls freigegeben wurden. Ob für den Verwalter die Freigabe einer "Zweittätigkeit" in Betracht kommt, dürfte stark vom Einzelfall abhängig sein, zumal aufgrund der freigegebenen Ersttätigkeit die Verpflichtung zur Zahlung des fiktiven pfändbaren Einkommens schon besteht und die Höhe dieses Betrages sich durch die Aufnahme weiterer Tätigkeiten kaum ändern dürfte.
In der Wohlverhaltensphase kann der Treuhänder nur die pfändbaren Teile des wiederkehrenden Einkommens (Lohn-, Gehaltsansprüche, Renten oder vergleichbare Bezüge) einziehen. Ansprüche aus selbständiger Tätigkeit gehören in der Regel nicht hierzu. Deshalb obliegt es ja dem Selbständigen, seine Gläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, als stünde er in einem angemessenen Beschäftigungsverhältnis. Die Anzahl der betrieben Unternehmen spielt hier keine Rolle.
Quelle:
Uwe Somberg
I S K A - Nürnberg Schuldner- und Insolvenzberatung
Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit (ISKA)gemeinnützige GmbH
Oktober 2013
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