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Selbständig während Wohlverhaltensphase: fiktiven Gewinn ermitteln?

Frage

Ich bin seit ca. einem Jahr in der Wohlverhaltensphase, arbeite als (ungelernter) Trockenbauer und verdiene nur 1.000 Euro netto, da mein Chef mich nicht mehr Stunden beschäftigen will. Nun bin ich am überlegen, ob ich mich nebenberuflich selbständig machen soll. Mein Treuhänder sagte, dass es an sich kein Problem gäbe. Er würde den fiktiven Gewinn berechnen und dann nach der Pfändungstabelle gehen. Wie kann er ein fiktiven Gewinn ermitteln, wenn ich noch nicht einen Auftrag angenommen habe? Und was ist, wenn ich am Ende z.B. nur 400 Euro statt der fiktiven 1.000 Euro erwirtschafte? Richtet er sich dann trotzdem von ca. 1.000 Euro netto und den fiktiven 1.000 Euro brutto nach der Pfändungstabelle? Oder wird das nur nach dem reinen Gewinn berechnet? Nach Abzügen aller Ausgaben?

Antwort

Wenn Sie sich als Schuldner im Insolvenzverfahren selbständig machen, sind Sie verpflichtet, Ihre Gläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, als stünden Sie in einem angemessenen abhängigen Beschäftigungsverhältnis.

Hierzu müssen Sie sich zunächst selbst überlegen, wie viel Sie - gemessen an Ihrer Ausbildung bzw. der ausgeübten Tätigkeit, Ihres Alters usw. - Netto verdienen würden, wenn Sie in Vollzeit angestellt wären. Hilfreich für die Ermittlung dieses fiktiven Vergleichseinkommens kann etwa ein für Ihre Branche maßgeblicher Tarifvertrag sein, mitunter lässt sich die ortsübliche Vergütung für die ausgeübte Tätigkeit auch bei den berufsständischen Vereinigungen, etwa der örtlichen Industrie- und Handelskammer erfragen. Das fiktive Vergleichseinkommen müssen Sie als Insolvenzschuldner auf eigenes Risiko selbst ermitteln, d.h. einerseits kann Ihnen niemand vorschreiben, wie viel Sie im einzelnen abzuführen haben, andererseits kann eine Fehleinschätzung der eigenen Verdienstmöglichkeiten zu Lasten der Gläubiger dazu führen, dass die Restschuldbefreiung versagt wird. Auf die tatsächlichen Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit kommt es nicht an.

Ergibt sich für dieses fiktive Vergleichseinkommen nach der Lohnpfändungstabelle unter der Berücksichtigung etwaig vorhandener gesetzlicher Unterhaltsleistungen ein Pfändungsbetrag, so ist dieser an den Treuhänder zu zahlen. Ist im Einzelfall davon auszugehen, dass pfändbares Einkommen bei Aufnahme einer abhängigen Vollzeitbeschäftigung anfallen würde, so sind die jeweiligen Monatsbeträge mindestens einmal jährlich an den Treuhänder auszuzahlen.

Sollte das tatsächliche Einkommen aus der Selbständigkeit nicht ausreichen, um diese Fiktivbeträge aufzubringen, so müssen Sie die Selbständigkeit nicht gleich wieder aufgeben. Allerdings empfiehlt es sich, sich gleichzeitig um eine entsprechende Vollzeitstelle zu bemühen.

Quelle:
Uwe Somberg
I S K A - Nürnberg Schuldner- und Insolvenzberatung
Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit (ISKA) pgGmbH
Juni 2013

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